An den heiligen Joseph von Joseph von Eichendorff

Wenn trübe Schleier alles grau umweben,
Zur bleichen Ferne wird das ganze Leben,
Will Heimat oft sich tröstend zeigen;
Aus Morgenrot die goldnen Höhen steigen,
Und aus dem stillen, wundervollen Duft
Eine wohlbekannte Stimm hinüberruft.
 
Du warst ja auch einmal hier unten,
Hast ew'ger Treue Schmerz empfunden;
Längst war Maria fortgezogen,
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Wie einsam rauschten rings die dunklen Wogen!
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Da breitet oben sie die Arme aus:
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Komm, treuer Pilger, endlich auch nach Haus!
 
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Seitdem ist wohl viel anders worden,
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Treulieb auf Erden ist ausgestorben.
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Wem könnt ich's, außer dir, wohl klagen,
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Wie oft in kummervollen Tagen
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Mein ganzes Herz hier hofft und bangt,
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Und nach der Heimat immer fort verlangt!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „An den heiligen Joseph“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
109
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An den heiligen Joseph“ wurde von Joseph von Eichendorff geschrieben, einem der bedeutendsten Lyriker der deutschen Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte. Es gelangt erstmals 1841 in einer Gedichtsammlung an die Öffentlichkeit.

Auf den ersten Eindruck vermittelt das Gedicht eine melancholische, sehnsuchtsvolle Stimmung, die sich nach etwas Vergangenem oder Ersehntem sehnt.

Inhaltlich betrachtet, spricht das lyrische Ich im Gedicht den heiligen Josef an, den Ziehvater von Jesus Christus aus dem Neuen Testament. Es äußert eine tiefe Sehnsucht nach Heimat und Beständigkeit („die goldnen Höhen“), die metaphorisch durch das Bild von trüben Schleiern umwebt ist, die das Leben in eine bleiche Ferne verwandeln. Das lyrische Ich zeigt Mitgefühl für den Heiligen („Hast ew'ger Treue Schmerz empfunden“) und erkennt Parallelen in ihrer beider Schicksalen – Einsamkeit und Sehnsucht.

In Hinblick auf die Form besteht das Gedicht aus drei Strophen mit je sechs Versen. Die Sprache des Gedichts ist gekennzeichnet durch eine einfache, aber bildreiche Metaphorik, die typisch für die Romantik and Häufigkeit ist. Ausdrucksvolle Bilder und Adjektive („trübe Schleier“, „wohlbekannte Stimm“, „kummervollen Tagen“) unterstreichen das melancholische Empfinden.

Die Anrede an den heiligen Josef schafft eine persönliche, direkte Beziehung zwischen ihm und dem lyrischen Ich. Eichendorff nutzt diese Form, um seine eigenen Gefühle und Sehnsüchte zu artikulieren und eine Verbindung zur christlichen Tradition herzustellen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Eichendorff in „An den heiligen Joseph“ das Thema der Heimatlosigkeit und Sehnsucht nach Zugehörigkeit mit Hilfe einer persönlichen Anrede und bildreicher Sprache zum Ausdruck bringt. Das lyrische Ich erfährt hierbei in der Figur des heiligen Josef einen Gleichgesinnten, einen Mit-Leidenden, der die Schwere des Herzens versteht. Das macht das Gedicht zugleich persönlich und universell, da das Gefühl der Heimatsuche in der menschlichen Erfahrung tief verankert ist.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An den heiligen Joseph“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joseph von Eichendorff. 1788 wurde Eichendorff geboren. Zwischen den Jahren 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Romantik kann in drei Phasen aufgegliedert werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Welt, die sich durch die einsetzende Verstädterung und Industrialisierung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls Auswirkungen auf die Romantik. In der Literatur der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Übel und Missstände dieser Zeit bleiben außen vor und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Des Weiteren sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die Grundthemen waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde manifestiert. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über den Inhalt als auch über die Form des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die festen Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das 109 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 18 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff sind „In Danzig“, „Kurze Fahrt“ und „Lied“. Zum Autor des Gedichtes „An den heiligen Joseph“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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