Nachtlied von Joseph von Eichendorff

Vergangen ist der lichte Tag,
Von ferne kommt der Glocken Schlag;
So reist die Zeit die ganze Nacht,
Nimmt manchen mit, der's nicht gedacht.
 
Wo ist nun hin die bunte Lust,
Des Freundes Trost und treue Brust,
Des Weibes süßer Augenschein?
Will keiner mit mir munter sein?
 
Da's nun so stille auf der Welt,
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Ziehn Wolken einsam übers Feld,
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Und Feld und Baum besprechen sich
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O Menschenkind! was schauert dich?
 
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Wie weit die falsche Welt auch sei,
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Bleibt mir doch Einer nur getreu,
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Der mit mir weint, der mit mir wacht,
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Wenn ich nur recht an ihn gedacht.
 
17 
Frisch auf denn, liebe Nachtigall,
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Du Wasserfall mit hellem Schall!
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Gott loben wollen wir vereint,
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Bis daß der lichte Morgen scheint!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Nachtlied“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
119
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Nachtlied“ stammt von Joseph von Eichendorff, einem der bedeutendsten Lyriker der deutschen Romantik, geboren 1788 und gestorben 1857.

Der erste Eindruck vom Gedicht weist auf melancholische Gedanken und eine ruhige Nachtatmosphäre hin. Der Titel „Nachtlied“ unterstützt diesen Eindruck, zeigt jedoch auch den Bezug zum Trost und zur Hoffnung, die oft in der Nacht gefunden werden.

Inhaltlich betrachtet, befasst sich das lyrische Ich mit dem Vergehen der Zeit. Es reflektiert den vergangenen Tag (Vers 1), die Abwesenheit von Vergnügen und Sozialkontakten (Verse 5-8), und die Stille und Einsamkeit, die in der Welt vorherrschen (Verse 9-12). Ein deutliches Thema, das sich durch das Gedicht zieht, ist die Vergänglichkeit und der unaufhaltsame Lauf der Zeit. Während die erste Strophe einen melancholischen Blick auf die vergangene Zeit wirft, wirkt die letzte Strophe hoffnungsvoll und ermunternd (Verse 17-20). Die naturbezogenen Bilder, wie die Nachtigall und der Wasserfall, die Gott loben sollen, verweisen auf einen tiefen Glauben des lyrischen Ichs an eine höhere Macht.

Das Gedicht besteht aus fünf vierzeiligen Strophen, in denen sich der Reim im Schema „aabb“ regelmäßig abwechselt. Der Duktus ist einfach und klar, die verwendeten Bilder sind leicht verständlich und direkt, was typisch für Eichendorff ist.

Die Sprache des Gedichts ist poetisch und malerisch, unter Verwendung von Personifikationen und Metaphorik. So wird beispielsweise der Zeit als Reisender bezeichnet (Vers 3), was die surreale, fließende Qualität der Zeit unterstreicht. Auch die Bezugnahme auf den natürlichen Welt - die Nachtigall, der Wasserfall, die Wolken - kennzeichnet Eichendorffs romantische Dichtung und betont die Empfindung des Ichs in der konkreten, natürlichen Welt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Nachtlied“ einen typischen Ausdruck der Eichendorff'schen Lyrik darstellt, mit seinem gleichzeitigen Weltschmerz und tiefer Glauben, seiner Betonung der Vergänglichkeit und der Suche nach Sinn und Trost in der natürlichen Welt und in der inneren Erfahrung des lyrischen Ichs.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Nachtlied“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joseph von Eichendorff. Geboren wurde Eichendorff im Jahr 1788 . Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1804 und 1857. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine Epoche der Kulturgeschichte, zeitlich anzusiedeln vom späten 18. Jahrhundert bis tief in das 19. Jahrhundert hinein. Auf die Literatur bezogen: von 1795 bis 1848. Sie hatte umfangreiche Auswirkungen auf Literatur, Kunst, Musik und Philosophie jener Zeit. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Welt, die sich durch die einsetzende Industrialisierung und Verstädterung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls Auswirkungen auf die Romantik. Als Merkmale der Literatur der Romantik sind die Weltflucht, die Verklärung des Mittelalters, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen zu benennen. Bedeutende Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Texten und Gedichten. Phantasie ist für Romantiker das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Wirklichkeit und Traum soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es, alle Lebensbereiche zu poetisieren.

Das vorliegende Gedicht umfasst 119 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 20 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff sind „Auch ein Gedicht?“, „Der Isegrimm“ und „Der verliebte Reisende“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Nachtlied“ weitere 395 Gedichte vor.

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