Die weinende Braut von Joseph von Eichendorff

Du warst so herrlich anzuschauen,
So kühn und wild und doch so lieb,
Dir mußt ich Leib und Seel vertrauen,
Ich mocht nichts mehr, das meine blieb!
Da hast du, Falscher, mich verlassen
Und Blumen, Lust und Frühlingsschein,
Die ganze Welt sah ich erblassen,
Ach Gott, wie bin ich nun allein!
Wohl jahrlang sah ich von den Höhen
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Und grüßte dich vieltausendmal,
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Und unten sah ich viele gehen,
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Doch du erschienst nicht in dem Tal.
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Und mancher Lenz mit bunten Scherzen
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Kam und verflog im lust'gen Lauf,
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Doch ach! in dem betrognen Herzen
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Geht niemals mehr der Frühling auf.
 
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Ein Kränzlein trag ich nun im Haare,
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In reichen Kleidern schön geschmückt,
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Führt mich ein andrer zum Altare,
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Die Eltern sind so hochbeglückt.
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Und fröhlich kann ich mich wohl zeigen,
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Die Sonne hell wie damals scheint,
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Und vor dem Jauchzen und dem Geigen
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Hört keiner, wie die Braut still weint.
 
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Die Frühlingslieder neu beginnen
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Du kehrst nach manchem Jahr zurück,
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Und stehest still, dich zu besinnen,
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Wie auf ein längstvergangnes Glück.
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Doch wüst verwachsen liegt der Garten,
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Das Haus steht lange still und leer,
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Kein Lieb will dein am Fenster warten,
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Und dich und mich kennt niemand mehr.
 
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Doch eine Lerche siehst du steigen
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Vom Tal zum blauen Himmelsport,
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Ein Bächlein rauschet da so eigen,
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Als weinte es in einem fort.
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Dort haben sie mich hingetragen,
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Bedeckten mir mit Stein den Mund
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Nun kann ich dir nicht einmal sagen,
40 
Wie ich dich liebt aus Herzensgrund.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „Die weinende Braut“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
244
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht trägt den Namen „Die weinende Braut“ und wurde von dem bekannten deutschen Lyriker Joseph von Eichendorff verfasst, der von 1788 bis 1857 lebte. Das Gedicht wurde während der Epoche der Romantik geschrieben, welche von etwa 1795 bis 1848 angesiedelt ist.

Bei dem ersten Lesen, entfaltet das Gedicht eine melancholische Stimmung, die sich durch die gesamte Dichtung zieht. Es erzählt die Geschichte einer vom Verlust der Liebe gezeichneten Frau, die obgleich sie eine andere Ehe eingeht, weiterhin emotional an ihrem früheren Liebhaber hängt.

Genauer betrachtet teilt das lyrische Ich im ersten Teil der Dichtung sein Leid über die Trennung mit dem geliebten Mann. Es beschreibt ihn als anziehend und stark, dem sie vollkommen vertraut hatte, bis sie von ihm verlassen wurde. In der Folge ihrer Trennung verblasst für sie die gesamte Welt. Obwohl sie immer noch auf seine Rückkehr hofft, erscheint er nicht. Trotz der wiederkehrenden Jahreszeiten und des fröhlichen Lebens um sie herum, bleibt ihr Herz betrübt.

In der zweiten Strophe berichtet das lyrische Ich, dass sie nun die Braut eines anderen Mannes ist. Trotz der Freude und dem Glück, das sie ausstrahlen muss und das sie in dieser Situation umgibt, ist sie innerlich traurig und weint still für sich allein.

Die letzten beiden Strophen skizzieren eine hypothetische Zukunft, in der der ehemalige Liebhaber zurückkehrt, um festzustellen, dass alles verändert ist. Das einst gemeinsam bewohnte Haus ist verlassen und überwuchert, und niemand erinnert sich mehr an sie oder ihre Liebe. Im tragischen Finale des Gedichts deutet das lyrische Ich an, dass sie gestorben ist und somit, selbst wenn sie wollte, nicht mehr in der Lage ist, ihre immer noch bestehende tiefe Liebe zu ihm zum Ausdruck zu bringen.

In Bezug auf die Form handelt es sich bei „Die weinende Braut“ um eine Dichtung, die aus vier Strophen besteht. Jede Strophe umfasst acht Verse. Die Sprache des Gedichts ist deutlich und expressiv, und trägt wesentlich zur melancholischen Stimmung bei. Diese Stimmung wird durch den Gebrauch von Worten und Redewendungen, die Verlust, Sehnsucht und Trauer nahelegen, weiter betont.

Weitere Informationen

Joseph von Eichendorff ist der Autor des Gedichtes „Die weinende Braut“. Der Autor Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren. Zwischen den Jahren 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Romantik zu. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine Epoche der Kunstgeschichte, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert hinein die Literatur, Musik, Kunst und Philosophie prägte. Auf die Literatur beschränkt betrachtet reichen die Auswirkungen der Romantik lediglich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hinein. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Schriftsteller der Romantik in Auflösung begriffen. Als Merkmale der Literatur der Romantik sind die Verklärung des Mittelalters, die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen aufzuführen. Wichtige Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über den Inhalt als auch über die Form des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die festen Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken ist zu beobachten.

Das 244 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „Mondnacht“, „Morgengebet“ und „Ostern“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die weinende Braut“ weitere 395 Gedichte vor.

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