Die falsche Schwester von Joseph von Eichendorff

Meine Schwester, die spielt' an der Linde
Stille Zeit, wie so weit, so weit!
Da spielten so schöne Kinder
Mit ihr in der Einsamkeit.
 
Von ihren Locken verhangen
Schlief sie und lachte im Traum,
Und die schönen Kinder sangen
Die ganze Nacht unterm Baum.
 
Die ganze Nacht hat gelogen,
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Sie hat mich so falsch gegrüßt,
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Die Engel sind fortgeflogen,
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Und Haus und Garten stehn wüst.
 
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Es zittert die alte Linde
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Und klaget der Wind so schwer,
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Das macht, das macht die Sünde
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Ich wollt, ich läg im Meer!
 
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Die Sonne ist untergegangen
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Und der Mond im tiefen Meer,
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Es dunkelt schon über dem Lande,
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Gute Nacht! seh dich nimmermehr!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Die falsche Schwester“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
109
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die falsche Schwester“ wurde von Joseph von Eichendorff verfasst, einem bedeutenden deutschen Lyriker und Schriftsteller der Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht melancholisch und verträumt und scheint die Geschichte einer vergangenen, aber dennoch lebendig empfundenen Zeit zu erzählen. Es handelt von Nostalgie, Verlust und Täuschung, davon, mit der Realität konfrontiert zu werden und von schmerzlichen Erfahrungen.

Im Inhalt erzählt das lyrische Ich von vergangenen Zeiten, in denen seine Schwester froh und sorglos an der Linde spielte, umgeben von Kindern. Sie war so glücklich, dass sie selbst in ihren Träumen lachte, während die Kinder die ganze Nacht sangen. Im dritten und vierten Versabschnitt ändert sich jedoch die Stimmung, und es wird deutlich, dass das lyrische Ich enttäuscht und verletzt wurde. Der Traum wurde durch eine schockierende Wahrheit ersetzt - „Die ganze Nacht hat gelogen“ - und es gibt Anzeichen von Verfall und Verlust, „Haus und Garten stehn wüst“. Danach wird das Bild intensiver und emotionaler, und das lyrische Ich drückt seinen Wunsch aus, den Schmerz zu entkommen, indem es sich wünscht, es läge im Meer.

Die Form des Gedichts ist regelmäßig, mit vier Versen pro Strophe, was einen steten Fluss und Rhythmus erzeugt, der den Charakter der Erinnerungen und das allmähliche Erkennen der Wahrheit unterstreicht. Die verwendete Sprache ist bildhaft und emotional, perfekt geeignet, um sowohl die Freude und Unbeschwertheit der Kindheit als auch den Schmerz und die Verwüstung nach der Konfrontation mit der Wahrheit auszudrücken. Ironischerweise versteckt sich diese schwer zu greifende Wahrheit hinter der sorglosen Kindheit und der idyllischen Landschaft, die schließlich als falsch und trügerisch enttarnt wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Eichendorff in „Die falsche Schwester“ die komplexen Gefühle von Verlust, Betrug und Schuld in einfacher, aber dennoch emotionaler Sprache ausdrückt. Jede Strophe erhöht die Intensität der Emotionen, bis das lyrische Ich schließlich von der tiefen Trauer überwältigt wird, die durch die Konfrontation mit einer bitteren Realität hervorgerufen wurde.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die falsche Schwester“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joseph von Eichendorff. Im Jahr 1788 wurde Eichendorff geboren. Im Zeitraum zwischen 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Romantik zuordnen. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Der Romantik vorausgegangen waren die Epochen der Weimarer Klassik und der Aufklärung. Die Literaturepoche der Romantik ist zeitlich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einzuordnen. Besonders auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Musik und der Literatur hatte diese Epoche Auswirkungen. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Literaturepoche der Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. Im gesamten Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichzeitig bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Industrialisierung und technologischer Fortschritt sind prägend für diese Zeit. Als Merkmale der Romantik sind die Verklärung des Mittelalters, die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen zu benennen. Wichtige Symbole sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und gedanklicher Klarheit, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unendlich. Zwar baut sie dabei auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 109 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 20 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff sind „Auch ein Gedicht?“, „Der Isegrimm“ und „Der verliebte Reisende“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die falsche Schwester“ weitere 395 Gedichte vor.

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