Nachtwanderer von Joseph von Eichendorff

Er reitet nachts auf einem braunen Roß,
Er reitet vorüber an manchem Schloß:
Schlaf droben, mein Kind, bis der Tag erscheint,
Die finstre Nacht ist des Menschen Feind!
 
Er reitet vorüber an einem Teich,
Da stehet ein schönes Mädchen bleich
Und singt, ihr Hemdlein flattert im Wind:
Vorüber, vorüber, mir graut vor dem Kind!
 
Er reitet vorüber an einem Fluß,
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Da ruft ihm der Wassermann seinen Gruß,
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Taucht wieder unter dann mit Gesaus,
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Und stille wird's über dem kühlen Haus.
 
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Wenn Tag und Nacht in verworrenem Streit,
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Schon Hähne krähen in Dörfern weit,
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Da schauert sein Roß und wühlet hinab,
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Scharret ihm schnaubend sein eigenes Grab.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Nachtwanderer“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
106
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Nachtwanderer“ stammt von Joseph von Eichendorff, einem der bedeutendsten Lyriker der deutschen Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte. Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht düster und mysteriös, voller spannender und schauriger Elemente.

Der Inhalt des Gedichtes folgt dem lyrischen Ich, einem Reiter, der nachts auf seinem Pferd an verschiedenen Orten vorbeireitet - Schlössern, bei denen er mahnt, dass die „finstre Nacht [...] des Menschen Feind“ ist, einem Teich, an dem ein bleiches Mädchen singt und ihm „graut vor dem Kind“, einem Fluss, an dem ein Wassermann grüßt und verschwindet, und dann endet die Reise bei der von seinem eigenen Pferd gegrabenen Grube.

Eichendorff benutzt die düstere Atmosphäre und die geheimnisvollen Begegnungen, um seine Haltung zur Nacht und zum Umgang des Menschen mit ihr zum Ausdruck zu bringen. Sie ist eine Zeit des Unbehagens und der Unsicherheit, eine feindselige Umgebung, in der die Gemeinheit und das Unheimliche lauern. Indem das lyrische Ich diese Situationen durchlebt, soll die Aussage getroffen werden, dass die Auseinandersetzung mit diesen Ängsten und Unsicherheiten letztendlich zu Erkenntnis und Bewusstsein führt - symbolisiert durch die Reise des lyrischen Ichs durch die Nacht.

Eichendorff verwendet eine recht einfache, aber rhythmisch strukturierte Sprache, was eine poetische Resonanz in jedem Vers erzeugt. Das Gedicht ist in vier Vierzeilern strukturiert, wobei jeder Vers aus gleicher Silbenzahl besteht, was zu einer stetigen und leicht vorhersehbaren Metrik führt. Da jedes Verspaar reimt, entsteht ein kontinuierlicher rhythmischer Fluss – der die endlose und monotone Reise des lyrischen Ichs durch die Nacht symbolisiert.

Insgesamt ist „Nachtwanderer“ eine dunkle und doch faszinierende Darstellung einer nächtlichen Reise, die sowohl auf der Oberfläche als auch in ihrer metaphorischen Bedeutung viel Tiefe hat. Das Gedicht spielt mit unseren Ängsten und Ängstlichkeiten, konfrontiert die Leser mit den dunklen Seiten des Menschseins und ermutigt sie, diese zu erkennen und zu akzeptieren.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Nachtwanderer“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joseph von Eichendorff. Der Autor Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren. Im Zeitraum zwischen 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Romantik zu. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Romantik wird in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) unterschieden. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Romantiker in Auflösung begriffen. Bedeutende Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Weitere Motive sind das Fernweh, das Nachtmotiv oder die Todessehnsucht. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Geheimnisvolle, Mysteriöse und galt als Ursprung der Liebe. Typische Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Architektur und Kunst des Mittelalters wurden von den Romantikern wieder geschätzt. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über die Form als auch über den Inhalt des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die festen Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 106 Worte. Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Heimat“, „In Danzig“ und „Kurze Fahrt“. Zum Autor des Gedichtes „Nachtwanderer“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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