Sonst von Joseph von Eichendorff

Es glänzt der Tulpenflor, durchschnitten von Alleen,
Wo zwischen Taxus still die weißen Statuen stehen,
Mit goldnen Kugeln spielt die Wasserkunst im
Becken,
Im Laube lauert Sphinx, anmutig zu erschrecken.
 
Die schöne Chloe heut spazieret in dem Garten,
Zur Seit ein Kavalier, ihr höflich aufzuwarten,
Und hinter ihnen leis Cupido kommt gezogen,
Bald duckend sich im Grün, bald zielend mit dem
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Bogen.
 
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Es neigt der Kavalier sich in galantem Kosen,
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Mit ihrem Fächer schlägt sie manchmal nach dem
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Losen,
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Es rauscht der taftne Rock, es blitzen seine
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Schnallen,
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Dazwischen hört man oft ein art'ges Lachen schallen.
 
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Jetzt aber hebt vom Schloß, da sich's im West will
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röten,
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Die Spieluhr schmachtend an, ein Menuett zu flöten,
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Die Laube ist so still, er wirft sein Tuch zur Erde
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Und stürzet auf ein Knie mit zärtlicher Gebärde.
 
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»Wie wird mir, ach, ach, ach, es fängt schon an zu
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dunkeln -«
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»So angenehmer nur seh ich zwei Sterne funkeln -«
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»Verwegner Kavalier!« - »Ha, Chloe, darf ich
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hoffen? -«
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Da schießt Cupido los und hat sie gut getroffen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Sonst“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
27
Anzahl Wörter
174
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sonst“ wurde von Joseph von Eichendorff verfasst, einem prominenten Lyriker und Schriftsteller der deutschen Romantik, geboren 1788 und gestorben 1857. Die Romantik erstreckt sich von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts hinein und hat einige charakteristische Merkmale, die auch in diesem Gedicht erkennbar sind.

Beim ersten Lesen fällt auf, dass es sich um eine Art Beobachtung einer Szene in einem eleganten Garten handelt; es tritt eine Frau namens Chloe auf, die von einem Kavalier begleitet wird. In einem Spiel der Verführung beobachtet das lyrische Ich, wie die beiden miteinander interagieren, bis am Ende Cupido, der Gott der Liebe, seinen Pfeil abschießt, symbolisch für das Entflammen der Liebe.

Der Inhalt des Gedichts scheint eine Szene aus einer höheren gesellschaftlichen Schicht darzustellen, wo formale Gartenpartys, Flirten und Romantik üblich waren. Die Hauptakteure sind die Dame Chloe und ihr Kavalier, die sich in einem verspielten verbalen Duell gegenseitig herausfordern. Durch die absichtliche Zurückhaltung und ihre kokette Verschleierung ihrer wahren Gefühle erzeugt das Gedicht eine Spannung, die nur durch den Pfeil des Cupido gelöst wird. Es scheint, dass das lyrische Ich die Vorgänge eher aus der Distanz beobachtet und romantisch verklärt.

Formal besteht das Gedicht aus fünf Strophen, die unterschiedlich viele Verse haben. Es folgt keinem strengen Reimschema, was auf die Vorliebe der Romantik für kreative Freiheit hinweist. Die Sprache ist malerisch und detailreich, typisch für die Epoche, mit der Nutzung von Metaphern, wie beispielsweise der Pfeil des Cupido als Symbol für die Liebe.

Eichendorff nutzt feminine Endungen und Ausdrücke der gehobenen Sprache und Etikette, was dem Ganzen eine gezierte Atmosphäre verleiht. Wichtig ist die starke Verwendung von Sinneseindrücken, wie Farben, Geräusche und Bewegungen, was den Leser direkt in die Szene zieht und dazu beiträgt, die aufgeladene Stimmung des Flirtens und der heimlichen Verführung zu vermitteln. Insgesamt ist es ein typisches Beispiel eines romantischen Gedichts, in dem Verlangen, Liebe und gesellschaftliche Etikette miteinander vermischt werden.

Weitere Informationen

Joseph von Eichendorff ist der Autor des Gedichtes „Sonst“. 1788 wurde Eichendorff geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1804 bis 1857 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein andauerte. Insbesondere auf den Gebieten der Literatur, Musik oder der bildenden Kunst hatte diese Epoche umfangreiche Auswirkungen. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von bedeutenden Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (beginnend im Jahr 1789) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Technik und Wissenschaft, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. Die zentralen Motive der Romantik sind das Schaurige, Leidenschaftliche, Unterbewusste, Fantastische, Individuelle, Gefühlvolle und Abenteuerliche, welche die Grenzen des Verstandes sprengen und erweitern sollen und sich gegen das bloße Nützlichkeitsdenken sowie die Industrialisierung richten. Die Schriftsteller der Romantik sehnen sich nach der Einheit von Geist und Natur. Ein Hinwenden zum Mittelalter ist erkennbar. So werden Kunst und Architektur dieser vergangenen Zeit geschätzt. Die Missstände des Mittelalters bleiben jedoch unerwähnt. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über die Form als auch über den Inhalt des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die starren Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken ist zu beobachten.

Das 174 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 27 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Die Gedichte „In Danzig“, „Kurze Fahrt“ und „Lied“ sind weitere Werke des Autors Joseph von Eichendorff. Zum Autor des Gedichtes „Sonst“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.

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