Bestimmung von Wilhelm Busch

Ein Fuchs von flüchtiger Moral
Und unbedenklich, wenn er stahl,
Schlich sich bei Nacht zum Hühnerstalle
Von einem namens Jochen Dralle,
Der, weil die Mühe ihn verdroß,
Die Tür mal wieder nicht verschloß.
 
Er hat sich, wie er immer pflegt,
So wie er war zu Bett gelegt.
Er schlief und schnarchte auch bereits.
 
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Frau Dralle, welche ihrerseits
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Noch wachte, denn sie hat die Grippe,
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Stieß Jochen an die kurze Rippe.
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Du, rief sie flüsternd, hör doch bloß,
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Im Hühnerstall da ist was los;
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Das ist der Fuchs, der alte Racker.
 
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Und schon ergriff sie kühn und wacker,
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Obgleich sie nur im Nachtgewand,
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Den Besen, der am Ofen stand,
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Indes der Jochen leise flucht
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Und erst mal Licht zu machen sucht.
 
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Sie ging voran, er hinterdrein.
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Es pfeift der Wind, die Hühner schrein.
 
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Nur zu, mahnt Jochen, sei nur dreist
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Und sag Bescheid, wenn er dich beißt.
 
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Umsonst sucht sich der Dieb zu drücken
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Vor Madame Dralles Geierblicken.
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Sie schlägt ihm unaussprechlich schnelle
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Zwei-, dreimal an derselben Stelle
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Mit ihres Besens hartem Stiel
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Aufs Nasenbein. Das war zuviel. –
 
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Ein jeder kriegt, ein jeder nimmt
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In dieser Welt, was ihm bestimmt.
 
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Der Fuchs, nachdem der Balg herab,
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Bekommt ein Armesündergrab.
 
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Frau Dralle, weil sie leichtgesinnt
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Sich ausgesetzt dem Winterwind
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Zum Trotz der Selbsterhaltungspflicht,
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Kriegt zu der Grippe noch die Gicht.
 
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Doch Jochen kriegte hocherfreut
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Infolge der Gelegenheit
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Von Pelzwerk eine warme Kappe
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Mit Vorder- und mit Hinterklappe.
 
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Stets hieß es dann, wenn er sie trug:
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Der ist es, der den Fuchs erschlug.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Bestimmung“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
250
Entstehungsjahr
nach 1848
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht mit dem Titel „Bestimmung“ wurde von dem deutschen Dichter und Zeichner Wilhelm Busch verfasst, der von 1832 bis 1908 gelebt hat. Somit ist das Gedicht in das 19. Jahrhundert einzuordnen, genauer gesagt in die Epoche des Biedermeier und des Realismus.

Beim ersten Lesen fällt auf, dass das Gedicht in einer humorvollen und unterhaltsamen Art und Weise eine Geschichte erzählt. Der Plot kreist um einen Fuchs, der Hühner stehlen will, sowie das Bauernpaar Dralle, die ihn daran hindern.

Im Gedicht geht es darum, dass sich der Fuchs, trotz flüchtiger Moral und Diebesgewohnheiten, eines Nachts zum Hühnerstall des Bauern Jochen Dralle schleicht. Frau Dralle weckt ihren schlafenden Ehemann auf, weil sie ein Geräusch im Hühnerstall bemerkt hat. Trotz ihrer Krankheit, der Grippe, schreitet sie mutig und wacker zur Tat, nimmt einen Besen und geht dem Fuchs entgegen. Ihr Mann folgt ihr widerwillig. Frau Dralle schlägt den Fuchs erfolgreich in die Flucht, bekommt aber wegen der kalten Witterung auch noch die Gicht. Jochen hingegen profitiert von der Situation und fertigt sich aus dem Fuchsfell eine warme Kappe.

Formal gesehen hat das Gedicht verschiedene Strophenlängen zwischen zwei und sechs Versen. Es verwendet einen einfachen Jambus und einen schlichten Reim, was den humorvollen und zugänglichen Stil des Gedichts unterstreicht.

Die Sprache ist einfach und bildhaft. Verschiedene Stilmittel wie Reime und Alliterationen tragen zur Heiterkeit und Lebendigkeit des Gedichts bei. Farbenreiche Beschreibungen lassen die Szene lebendig werden. Der Erzählstil ist satirisch und ironisch, womit typische Verhaltensmuster und Eigenschaften der Charaktere überzeichnet dargestellt werden.

Die Aussage des lyrischen Ichs könnte eine moralische sein, die besagt, dass jedes Verhalten Konsequenzen hat und dass jeder bekommt, was ihm zusteht, wie im abschließenden Vers explizit ausgedrückt wird. So muss der Fuchs für seine Dieberei mit dem Leben bezahlen, Frau Dralle für ihren mutigen, aber unbedachten Einsatz mit der Gicht und Jochen, der eigentlich nichts getan hat, erntet den Ruhm. Auch kann das Gedicht als Kritik an falscher Selbstdarstellung und Scheinheiligkeit gelesen werden.

Insgesamt ist „Bestimmung“ ein anschauliches Beispiel für Wilhelm Buschs humorvollen und zynischen Stil und seine Fähigkeit, alltägliche Situationen auf unterhaltsame Weise darzustellen.

Weitere Informationen

Wilhelm Busch ist der Autor des Gedichtes „Bestimmung“. Geboren wurde Busch im Jahr 1832 in Wiedensahl. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1848 und 1908. Erschienen ist der Text in Wiesbaden u. Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 12 Strophen und umfasst dabei 250 Worte. Wilhelm Busch ist auch der Autor für Gedichte wie „Auf Wiedersehn“, „Auf den Sonntag früh Morgen“ und „Bedächtig“. Zum Autor des Gedichtes „Bestimmung“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 208 Gedichte vor.

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