Die Fahne Schwerins von Theodor Fontane
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Im Arsenal, dem alten, |
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Zu Petersburg am Dock, |
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Zersplittert und zerspalten |
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Steht ein alter Fahnenstock; |
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Er steht in seiner Ecken |
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An die hundert Jahre nun, |
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Mit den andern Fahnenstöcken |
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Hat er nichts zu tun. |
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Der Fahnen jüngste schmunzelt: |
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»He, Kamerad im Eck, |
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Warum so viel gerunzelt? |
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Das bringt uns nicht vom Fleck; |
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Nicht ewig stumm und einsam |
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Und nicht so steif-apart, |
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Gesellig hübsch, gemeinsam, |
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Und etwas Lebensart.« |
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Der drauf: »An Schaftes Runde |
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Sieh hier den Silberring, |
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Er deckt die breite Wunde, |
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Die ich bei Prag empfing, |
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Zersplittert hat, zerspalten |
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Die Kugel mich von Erz, |
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Schwerin, der mich gehalten, |
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Dem ging sie durch das Herz. |
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Wen solch ein Held getragen |
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In solcher Preußenstund', |
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Dem will es nicht behagen |
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Auf fremdem, russischem Grund, |
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Der will unter Trommelchören |
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In Berlin im Zeughaus stehn |
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Und den ?Dessauer? wieder hören, |
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Und von Hohenfriedberg den.« |
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Im Arsenal, dem alten, |
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Zu Petersburg am Dock, |
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Zersplittert und zerspalten, |
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Sprach so der Fahnenstock. |
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Die andern nickten leise, |
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Der Zugwind wehte sacht, |
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Immer stiller ward's im Kreise; |
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Ein Stern schien durch die Nacht2. |
Details zum Gedicht „Die Fahne Schwerins“
Theodor Fontane
5
40
173
1819 - 1898
Realismus
Gedicht-Analyse
Das betrachtete Gedicht ist von Theodor Fontane, einem bedeutenden Vertreter des poetischen Realismus, und kann auf das Ende des 19. Jahrhunderts datiert werden.
Das Gedicht spricht direkt an: Es erzeugt Bilder einer längst vergangenen Zeit und Ereignisse, die emotional und relevant sind.
Im Gedicht spricht eine beschädigte Fahnenstange zu anderen Habenstöcken in einem Arsenal in Petersburg. Diese Fahnenstange ist Teil eines alten Waffenlagers, das etwa hundert Jahre existiert. Sie fühlt sich von den anderen Fahnenstangen distanziert. Eine jüngere Fahne fordert sie auf, nicht so grimmig und einsam zu sein und ein wenig geselliger und lebensbejahender zu sein. Die alte Fahne offenbart daraufhin ihre Wunden, die sie in der Schlacht von Prag erhalten hat, und erklärt, dass sie die Fahne von General Schwerin war, der in dieser Schlacht getötet wurde. Sie äußert den Wunsch, in Berlin im Zeughaus zu stehen und wieder die Titel des Dessauers und des Hohenfriedberg zu hören.
Der Inhalt des Gedichtes legt nahe, dass das lyrische Ich die sentimentale und emotionale Bindung an die Geschichte und die Vergangenheit darstellt. Die alte Fahnenstange erinnert sich an ihre glorreichen Tage und sehnt sich danach, wieder auf heimatlichem Boden und in Anerkennung ihrer Heldentaten zu stehen.
Formal folgt das Gedicht einer strikten Form. Jede Strophe hat acht Verse. Sprachlich gesehen verwendet Fontane eine einfache und metaphorische Sprache zur Darstellung der Gefühle und Wünsche der kriegsverletzten Fahnenstange. Ihre Personifizierung ermöglicht es, die tiefe Verbundenheit mit der Heimat und ihrer Geschichte zu übertragen. Auch der Ort der Handlung trägt zur emotionale Wirkung bei: Das Petersburger Arsenal als Ort des Exils kontrastiert mit dem Zeughaus in Berlin als Ort der Heimat und Anerkennung.
Unterm Strich geht es in Fontanes Gedicht um die Ambivalenz von Heimatsehnsucht, Ehre und Kriegserfahrung. Diese werden greifbar gemacht durch die Stimme eines leblosen Objekts – der Fahnenstange –, das sich seiner Bedeutung und seines symbolischen Wertes bewusst ist.
Weitere Informationen
Theodor Fontane ist der Autor des Gedichtes „Die Fahne Schwerins“. Fontane wurde im Jahr 1819 in Neuruppin geboren. Zwischen den Jahren 1835 und 1898 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Realismus zuordnen. Fontane ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 173 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Die Gedichte „An Bettina“, „An Emilie“ und „An Lischen“ sind weitere Werke des Autors Theodor Fontane. Zum Autor des Gedichtes „Die Fahne Schwerins“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 214 Gedichte vor.
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