Einzug von Theodor Fontane

Und siehe da, zum dritten Mal
Ziehen sie ein durch das große Portal;
Der Kaiser vorauf, die Sonne scheint,
Alles lacht und alles weint,
 
Erst die Garde. Brigaden vier,
Garde und Garde-Grenadier':
Elisabether, Alexandriner,
Franziskaner, Augustiner,
Sie nahmen, noch nicht zufrieden mit Chlum,
10 
Bei Privat ein Privatissimum.
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Mit ihnen kommen, geschlossen, gekoppelt,
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Die Säbel in Händen, den Ruhm gedoppelt,
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Die hellblauen Reiter von Mars la Tour,
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Aber an Zahl die Hälfte nur.
 
15 
Garde vorüber. - Garde tritt an:
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Regiment des Kaisers, Mann an Mann,
17 
»Kein Schuß; Gewehr zur Attacke rechts.«
18 
Die Siebner, die Phalanx jedes Gefechts,
19 
Die Sieben ist eine besondere Zahl,
20 
Dem einen zur Lust, dem andern zur Qual;
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Was von den Turkos noch übrig geblieben,
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Spricht wohl von einer bösen Sieben.
 
23 
Blumen fliegen aus jedem Haus,
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Der Himmel strömt lachende Lichter aus,
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Und der Lichtball selber lächelt in Wonne:
26 
»Es gibt doch noch Neues unter der Sonne.«
 
27 
Gewiß. Eben jetzt einschwenkt in das Tor,
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Keine Linie zurück, keine Linie vor,
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En bataillon, frisch wie der Lenz,
30 
Die ganze Armee in Double-Essenz.
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Ein Korps bedeutet jeder Zug,
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Das ist kein Schreiten, das ist wie Flug,
33 
Das macht, weil ihnen ungesehn
34 
Dreihundert Fahnen zu Häupten wehn.
 
35 
Bunt gewürfelt Preußen, Hessen,
36 
Bayern und Baden nicht zu vergessen,
37 
Sachsen, Schwaben, Jäger, Schützen,
38 
Pickelhauben und Helme und Mützen,
39 
Das Eiserne Kreuz ihre einzige Zier;
40 
Alles zerschossen; ihr ganzes Prahlen
41 
Nur ein Wettstreit in den Zahlen,
42 
In den Zahlen derer, die nicht hier.
 
43 
Zum dritten Mal
44 
Ziehen sie ein durch das große Portal;
45 
Die Linden hinauf erdröhnt ihr Schritt,
46 
Preußen-Deutschland fühlt ihn mit.
 
47 
Hunderttausende auf den Zehenspitzen!
48 
Vorüber, wo Einarm und Stelzfuß sitzen,
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Jedem Stelzfuß bis in sein Bein von Holz
50 
Fährt der alte Schlachtenstolz.
51 
Halt,
52 
Vor des Großen Königs ernster Gestalt.
 
53 
Bei dem Fritzen-Denkmal stehen sie wieder,
54 
Sie blicken hinauf, der Alte blickt nieder;
55 
Er neigt sich leise über den Bug:
56 
»Bon soir, Messieurs, nun ist es genug.«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.8 KB)

Details zum Gedicht „Einzug“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
315
Entstehungsjahr
1871
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Einzug“ wurde vom deutschen Dichter Theodor Fontane verfasst, der von 1819 bis 1898 lebte und somit in der Epoche des Realismus wirkte. Das Gedicht vermittelt auf den ersten Blick eine starke Atmosphäre von feierlicher Stimmung und militärischer Pracht, abwechselnd mit sentimentalen und nachdenklichen Momenten.

Inhaltlich bezieht sich das lyrische Ich auf den grandiosen Einzug einer Armee durch ein großes Portal, bei dem es zu einer Mischung von Freude und Traurigkeit kommt. Dabei wird ausführlich auf die verschiedenen Truppenteile eingegangen, welche beim Einmarsch vorbeiziehen. In den Zeilen stehen bedeutende militärische Bezugspunkte und Begriffe, etwa die „Garde-Grenadier'“, „Elisabether, Alexandriner“, „Siebner“, „Turkos“, die alle spezifische militärische Einheiten bzw. Schlachten repräsentieren. Dem Gedicht wird durch diese namentliche Aufzählung ein dokumentarischer Charakter verliehen. Das lyrische Ich stellt die Szenerie dabei so dar, als wäre es selbst Teil des Geschehens.

In Sachen Form besteht das Gedicht aus neun Strophen unterschiedlicher Länge, was eher untypisch für die klassische Gedichtform ist und eher den freien Vers vertreten lässt. Die Sprache ist eingängig und reich an bildhafter Symbolik. Besonders hervorstechend ist der Wechsel von heiteren und dunkleren Passagen. Die positiven Beschreibungen des prachtvollen Kaisers und der feierlichen Armee stehen in starkem Kontrast zu den Versen, die den Krieg und seine Opfer thematisieren.

Ein weiteres wichtiges Interpretationselement ist die wiederholte Anspielung auf die „dritte“ Bewegung oder das „dreimal“ Auftreten. Dies könnte auf die drei Kriege hinweisen, die Deutschland 1864, 1866 und 1870/71 führte, um schließlich das Kaiserreich zu etablieren.

Insgesamt vermittelt das Gedicht einen starken Eindruck der Mischung aus militärischer Pracht und den Schatten des Krieges, individuell beleuchtet durch das lyrische Ich. Fontane's realistischer Schreibstil erlaubt dabei einen tiefen Einblick in die historische Szenerie und die gemischten Emotionen, die mit ihr einhergehen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Einzug“ des Autors Theodor Fontane. Geboren wurde Fontane im Jahr 1819 in Neuruppin. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1871 zurück. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Fontane handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 315 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Theodor Fontane sind „An Bettina“, „An Emilie“ und „An Lischen“. Zum Autor des Gedichtes „Einzug“ haben wir auf abi-pur.de weitere 214 Gedichte veröffentlicht.

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