Die Auswanderer von Ferdinand Freiligrath

Ich kann den Blick nicht von euch wenden;
Ich muß euch anschaun immerdar:
Wie reicht ihr mit geschäft'gen Händen
Dem Schiffer eure Habe dar!
 
Ihr Männer, die ihr von dem Nacken
Die Körbe langt, mit Brot beschwert,
Das ihr aus deutschem Korn gebacken,
Geröstet habt auf deutschem Herd;
 
Und ihr, im Schmuck der langen Zöpfe,
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Ihr Schwarzwaldmädchen, braun und schlank,
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Wie sorgsam stellt ihr Krüg' und Töpfe
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Auf der Schaluppe grüne Bank!
 
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Das sind dieselben Töpf' und Krüge,
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Oft an der Heimat Born gefüllt!
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Wenn am Missouri alles schwiegen
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Sie malten euch der Heimat Bild:
 
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Des Dorfes steingefaßte Quelle,
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Zu der ihr schöpfend euch gebückt,
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Des Herdes traute Feuerstelle,
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Das Wandgesims, das sie geschmückt
 
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Bald zieren sie im fernen Westen
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Des leichten Bretterhauses Wand;
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Bald reicht sie müden braunen Gästen,
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Voll frischen Trunkes, eure Hand.
 
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Es trinkt daraus der Tscherokese,
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Ermattet, von der Jagd bestaubt;
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Nicht mehr von deutscher Rebenlese
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Tragt ihr sie heim, mit Grün belaubt.
 
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O sprecht! warum zogt ihr von dannen?
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Das Neckartal hat Wein und Korn;
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Der Schwarzwald steht voll finstrer Tannen,
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Im Spessart klingt des Älplers Horn.
 
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Wie wird es in den fremden Wäldern
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Euch nach der Heimatberge Grün,
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Nach Deutschlands gelben Weizenfeldern,
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Nach seinen Rebenhügeln ziehn!
 
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Wie wird das Bild der alten Tage
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Durch eure Träume glänzend wehn!
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Gleich einer stillen, frommen Sage
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Wird es euch vor der Seele stehn.
 
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Der Bootsmann winkt! - Zieht hin in Frieden:
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Gott schütz' euch, Mann und Weib und Greis!
43 
Sei Freude eurer Brust beschieden,
44 
Und euren Feldern Reis und Mais!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Die Auswanderer“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
253
Entstehungsjahr
1810 - 1876
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Auswanderer“ wurde von Ferdinand Freiligrath, einem deutschen Dichter des Vormärz, verfasst und ist vermutlich im Kontext der großen Auswanderungswelle von Deutschland nach Amerika im 19. Jahrhundert zu betrachten. Das genaue Entstehungsjahr ist nicht angegeben, doch lebte Freiligrath von 1810 bis 1876, sodass das Gedicht in diese Zeitspanne fällt.

Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht einen melancholischen Eindruck. Es thematisiert den Abschied von Auswanderern, die ihre Heimat Deutschland verlassen, um in Übersee ein neues Leben zu beginnen. Dabei beschreibt der Autor detailliert und bildhaft die Szene des Abschieds am Hafen und die übergehenden Gegenstände der Auswanderer, die ihre Heimat symbolisieren.

Das lyrische Ich steht dabei am Ufer und beobachtet die Auswanderer, wie sie ihre Habseligkeiten dem Seemann übergeben und das Schiff besteigen. Es zeigt großes Interesse und Mitgefühl für die Auswanderer und scheint hin- und hergerissen zwischen der traurigen Stimmung des Abschieds und der Hoffnung auf ein besseres Leben für die Ausreisenden.

Freiligrath nutzt die Form des Vierzeilers mit einem klaren Reimschema (aabb) und einem gleichbleibenden Metrum. Die individuellen Strophen sind jeweils thematisch geordnet und liefern verschiedene Aspekte zur Auswanderung, die in ihrer Gesamtheit ein Bild der damaligen Auswanderer zeichnen. Freiligraths Sprache ist dabei sowohl klar als auch bildhaft. Er nutzt Metaphern und Vergleiche, um die emotionale Tiefe der Auswanderer widerzuspiegeln und ihren Abschied von der Heimat eindrucksvoll zu vermitteln.

Der Begriff der „Heimat“ wird in Freiligraths Gedicht als emotionaler Bezugspunkt der Auswanderer hervorgehoben. Dabei betont er die Bedeutung der Erinnerungen an die Heimat, die die Auswanderer in Form von materiellen Gütern mit in die Fremde nehmen. Ihre Töpfe und Krüge, die sie schon zu Hause genutzt haben, dienen als konkrete Symbole der Heimatverbundenheit. Das letzte Strophenpaar ist geprägt von positiven Wünschen und Hoffnungen für die Auswanderer, bildet aber dennoch einen Wehmut ausdrückenden Ausklang.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Auswanderer“ des Autors Ferdinand Freiligrath. Geboren wurde Freiligrath im Jahr 1810 in Detmold. Das Gedicht ist in der Zeit von 1826 bis 1876 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Freiligrath handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 253 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 11 Strophen. Weitere Werke des Dichters Ferdinand Freiligrath sind „Freie Presse“, „Springer“ und „Von unten auf“. Zum Autor des Gedichtes „Die Auswanderer“ haben wir auf abi-pur.de weitere 65 Gedichte veröffentlicht.

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