Das Kind des Steuermannes von Karl Gerok

"Die Segel eingezogen,
und alle Mann aufs Deck!"
Der Sturm kommt angeflogen
aus finsterem Versteck;
die Wogen wälzen rollend
sich schon heran mit Macht;
der Donner regt sich grollend,
und Mittag wird zur Nacht.
 
Doch hinten steht im Schiffe
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der Steuermann am Rad
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und lenkt mit Blick und Griffe
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des schwanken Kieles Pfad,
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weiß klug vorbeizuhalten
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am mörderischen Riff,
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die Wellen kühn zu spalten;
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denn ihm gehorcht sein Schiff.
 
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O braver Seemann, zwinge
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des Elementes Wut,
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o wackres Schifflein, dringe
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voran durch Sturm und Flut;
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viel bange Herzen zagen,
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und mit des Sturms Geräusch
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mischt sich der Kinder Klagen,
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der Frauen Angstgekreisch.
 
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Doch still und unerschrocken
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sitzt dort abseits ein Kind,
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läßt ruhig sich die Locken
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zerwühlen von dem Wind,
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blickt stolz ins Meer vom Decke
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als wie von einem Thron,
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weiß nichts von Angst und Schrecke:
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des Steuermannes Sohn.
 
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Ihn fragt der Männer einer:
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"Dir macht der Sturm nicht angst?
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Sag an, wie kommt es, Kleiner,
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daß du allein nicht bangst?"
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Da wird von stolzem Feuer
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des Knaben Wange rot:
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"Mein Vater sitzt am Steuer,
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drum hat es keine Not."
 
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O starker Kinderglaube! ?
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Verstehst du's, Gotteskind?
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Ob um dein Schifflein schnaube
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der ungestüme Wind,
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der Himmel steht im Feuer,
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die finstre Tiefe droht:
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Dein Vater sitzt am Steuer,
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drum hat es keine Not!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Das Kind des Steuermannes“

Autor
Karl Gerok
Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
214
Entstehungsjahr
1815 - 1890
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Das Kind des Steuermannes“ wurde von Karl Gerok, einem Dichter und Pfarrer des 19. Jahrhunderts verfasst. Gerok ist hauptsächlich als Lyriker tätig gewesen und lebte von 1815 bis 1890, was das Gedicht im Kontext der bürgerlichen Dichtung des deutschen Biedermeier und Spätromantik einordnet.

Auf den ersten Blick wird das Gedicht durch eine starke und lebendige bildliche Sprache geprägt, die die dramatische Sturmszene auf dem Meer lebendig darstellt und ein hohes Maß an spannender Erzählqualität aufweist.

Im Inhalt beschreibt das Gedicht eine bedrohliche Situation auf einem Schiff auf den stürmischen Meer. Die Besatzung und Passagiere sind in Angst und Panik, während der Steuermann versucht, das Schiff sicher durch den Sturm zu steuern. In diese Situation wird die Perspektive eines Kindes eingeführt, das trotz der umgebenden Gefahr keine Angst hat. Auf Nachfrage erklärt es, dies liege daran, dass sein Vater der Steuermann sei. In der letzten Strophe wird dieser kindliche Glaube hervorgehoben und auf das Verhältnis des Menschen zu Gott übertragen.

Daher kann man interpretieren, dass das lyrische Ich durch die Erzählung eine Botschaft des Vertrauens aussagen möchte. Ungeachtet der gefährlichen und unvorhersehbaren Stürme des Lebens, symbolisiert durch den Sturm auf dem Meer, sollten wir Vertrauen haben, wenn wir wissen, wer „am Steuer“ steht. Im Falle des Kindes ist es der Vater und im Kontext des Gottesglaubens ist es Gott selbst.

Formal begehagt das Gedicht dem Muster eines gereimten Oktetts mit regelmäßigem Rhythmus, was zur klar strukturierten Erzählform beiträgt. Geroks Sprache ist bildhaft und metaphorisch, mit Wörtern wie „Elementes Wut“ um den Sturm zu beschreiben, oder den Einsatz der Attribute wie „braver Seemann“ oder „wackres Schifflein“, um den Mut und die Fähigkeiten des Steuermannes und des Schiffes zu betonen. Ein markantes stilistisches Merkmal ist die wiederholte Aussage „Dein Vater sitzt am Steuer, / drum hat es keine Not.“ am Ende der letzten beiden Strophen, welches die Kernbotschaft des Gedichts unterstreicht.

Zusammengefasst, verwendet Gerok in „Das Kind des Steuermannes“ die Metapher eines stürmischen Meer und eines furchtlosen Kindes, um die Botschaft des Vertrauens und Glaubens trotz bedrohlicher Lebensumstände zu vermitteln.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Kind des Steuermannes“ des Autors Karl Gerok. Der Autor Karl Gerok wurde 1815 in Vaihingen an der Enz geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1831 und 1890. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 214 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Der Dichter Karl Gerok ist auch der Autor für Gedichte wie „Trauerstunden“ und „Über ein Kleines und alles wird Staub“. Zum Autor des Gedichtes „Das Kind des Steuermannes“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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