Wenn der Vogel singen will von Franz Grillparzer

Wenn der Vogel singen will,
Sucht er einen Ast,
Nur die Lerche trägt beim Sang
Eigne, leichte Last.
 
Doch der Fink, die Nachtigall,
Selbst der muntre Spatz
Wählen, eh' die Kehle tönt,
Für den Fuß den Platz.
 
Gebt mir, wo ich stehen soll,
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Weist mir das Gebiet,
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Und ich will euch wohl erfreun
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Noch mit manchem Lied.
 
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Denn in Deutschland weht der Sturm
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Sturm, man weiß, ist Wind - ,
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Wähnen, wenn der Ast sie schnellt,
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Daß sie flügge sind.
 
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Und hier Landes dunkelt's tief,
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Nacht wie Pech und Harz,
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In den Zweigen nächst dem Stamm
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Nisten Dohlen schwarz.
 
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Kauz und Eule dämisch dumm
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Schaun zum Astloch raus,
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Nur der Starmatz schwatzt vom Platz,
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Kanzelt für das Haus.
 
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Tiefer unten aber steigt's
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Auf vom Boden dumpf,
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Und die Frösche quaken laut
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Aus verjährtem Sumpf.
 
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Und so schweb ich ew'gen Flugs
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zwischen Erd' und Luft,
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Und kein Platz dem müden Fuß,
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Als dereinst die Gruft.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Wenn der Vogel singen will“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
153
Entstehungsjahr
1791 - 1872
Epoche
Biedermeier,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Wenn der Vogel singen will“ wurde von Franz Grillparzer verfasst, einem österreichischen Dramenautor und Lyriker, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte. Seine Schaffenszeit fällt in die literarische Epoche der Romantik und des Biedermeier.

Das Gedicht hinterlässt auf den ersten Blick einen bedrückenden und melancholischen Eindruck. Es scheint eine düstere Stimmung zu beschreiben und die Isolation sowie das Suchen nach Zugehörigkeit zum Ausdruck zu bringen. Das lyrische Ich verwendet die Metapher des Vogels, um so sein eigenes empfundenen Dasein zu beschreiben.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um verschiedene Vögel, die auf der Suche nach einem geeigneten Ort zum Singen sind. Der Anfang weist aber darauf hin, dass nicht alle Vögel einen festen Platz brauchen, indem die Lerche genannt wird, die ihre eigene leichte Last trägt. Doch andere Vögel, wie der Fink und die Nachtigall, benötigen einen festen Ort bevor sie singen. Das lyrische Ich überträgt diese Beobachtungen auf seine eigene Situation und wünscht sich einen Platz, von dem aus es singen, das heißt, sich ausdrücken kann. Es beklagt sich über die turbulente Lage in Deutschland, symbolisiert durch den Sturm, und die Dunkelheit, in der es sich verliert. Innerhalb dieses Dunkels existieren nur Kagendohlen und Eulen, die die Situation noch bedrückender machen. Am Ende befindet es sich in einem Zustand konstanten Fliegens zwischen Erde und Luft, ohne festen Platz für den müden Fuß - außer dem Grab.

Formal besteht das Gedicht aus acht vierzeiligen Strophen, wobei jede Strophe in sich einen eigenen gedanklichen Abschnitt bildet. Die Sprache ist zugänglich und bildhaft, wobei die Verwendung von Tiermetaphern eine zentrale Rolle spielt. Insbesondere der Vogel und das Singen als Metapher für die Freiheit des Ausdrucks und des kreativen Schöpfens ist signifikant.

Durch die Wahl der Vögel als Metaphern wird das lyrische Ich mit seiner Isolation und seinem Wunsch nach Rest, Zugehörigkeit und Ausdruck deutlich. Der Text reflektiert möglicherweise Grillparzers Frustration über die gesellschaftlichen Zustände seiner Zeit und sein Gefühl der Entfremdung aus seiner Gesellschaft.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Wenn der Vogel singen will“ des Autors Franz Grillparzer. Der Autor Franz Grillparzer wurde 1791 in Wien geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1807 und 1872. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Biedermeier oder Realismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Grillparzer handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 153 Worte. Weitere Werke des Dichters Franz Grillparzer sind „An einen Freund“, „Beethoven“ und „Der Wunderbrunnen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Wenn der Vogel singen will“ weitere 300 Gedichte vor.

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