An die Dichter von Joseph von Eichendorff

Wo treues Wollen, redlich Streben
Und rechten Sinn der Rechte spürt,
Das muß die Seele ihm erheben,
Das hat mich jedesmal gerührt.
 
Das Reich des Glaubens ist geendet,
Zerstört die alte Herrlichkeit,
Die Schönheit weinend abgewendet,
So gnadenlos ist unsre Zeit.
 
O Einfalt gut in frommen Herzen,
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Du züchtig schöne Gottesbraut!
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Dich schlugen sie mit frechen Scherzen,
12 
Weil Dir vor ihrer Klugheit graut.
 
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Wo find'st Du nun ein Haus, vertrieben,
14 
Wo man Dir Deine Wunder läßt,
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Das treue Thun, das schöne Lieben,
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Des Lebens fromm vergnüglich Fest?
 
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Wo findest Du den alten Garten,
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Dein Spielzeug, wunderbares Kind,
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Der Sterne heil'ge Redensarten,
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Das Morgenroth, den frischen Wind?
 
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Wie hat die Sonne schön geschienen!
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Nun ist so alt und schwach die Zeit;
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Wie steh'st so jung Du unter ihnen,
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Wie wird mein Herz mir stark und weit!
 
25 
Der Dichter kann nicht mit verarmen;
26 
Wenn Alles um ihn her zerfällt,
27 
Hebt ihn ein göttliches Erbarmen
28 
Der Dichter ist das Herz der Welt.
 
29 
Den blöden Willen aller Wesen,
30 
Im Irdischen des Herren Spur,
31 
Soll er durch Liebeskraft erlösen,
32 
Der schöne Liebling der Natur.
 
33 
D'rum hat ihm Gott das Wort gegeben,
34 
Das kühn das Dunkelste benennt,
35 
Den frommen Ernst im reichen Leben,
36 
Die Freudigkeit, die Keiner kennt.
 
37 
Da soll er singen frei auf Erden,
38 
In Lust und Noth auf Gott vertrau'n,
39 
Daß Aller Herzen freier werden,
40 
Erathmend in die Klänge schau'n.
 
41 
Der Ehre sei er recht zum Horte,
42 
Der Schande leucht' er ins Gesicht!
43 
Viel Wunderkraft ist in dem Worte,
44 
Das hell aus reinem Herzen bricht.
 
45 
Vor Eitelkeit soll' er vor Allen
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Streng hüten sein unschuld'ges Herz,
47 
Im Falschen nimmer sich gefallen,
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Um eitel Witz und blanken Scherz.
 
49 
O laßt' unedle Mühe fahren,
50 
O klingelt, gleißt und schielet nicht
51 
Mit Licht und Gnad' so ihr erfahren,
52 
Zur Sünde macht ihr das Gedicht!
 
53 
Den lieben Gott laß in Dir walten,
54 
Aus frischer Brust nur treulich sing'!
55 
Was wahr in Dir, wird sich gestalten,
56 
Das andre ist erbärmlich Ding.
 
57 
Den Morgen seh' ich ferne scheinen,
58 
Die Ströme zieh'n im grünen Grund,
59 
Mir ist so wohl! - die's ehrlich meinen,
60 
Die grüß' ich All' aus Herzensgrund!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.5 KB)

Details zum Gedicht „An die Dichter“

Anzahl Strophen
15
Anzahl Verse
60
Anzahl Wörter
348
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das langgestreckte Gedicht „An die Dichter“ stammt von Joseph von Eichendorff, einem angesehenen Schriftsteller der Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte. Dies legt den Verdacht nahe, dass das Gedicht irgendwann im 19. Jahrhundert verfasst wurde.

Auf den ersten Blick erkennt man, dass das Gedicht eine Art Anleitung oder Ermahnung für Dichter zu sein scheint. Das lyrische Ich, vermutlich ein Spiegel von Eichendorffs eigenen Gedanken und Gefühlen, legt großen Wert auf Authentizität und Echtheit in der Dichtkunst.

Das Gedicht weist eine ziemlich klare Struktur auf: Es ist in 15 Strophen unterteilt, jede Strophe besteht aus vier Versen. Interessant ist, dass keine konkrete Reimstruktur ersichtlich ist, was eine freie Dichtform vermuten lässt.

Inhaltlich befasst sich das lyrische Ich mit der Rolle des Dichters in der Gesellschaft und pocht auf die Bedeutung von Aufrichtigkeit und Glauben. Es gibt eine klare Kritik am Zeitgeist, der sich von Glauben und Einfalt abgewendet hat, was das lyrische Ich als schmerzlichen Verlust empfindet. Darüber hinaus warnt es vor Eitelkeit und Falschheit im Umgang mit der Dichtung.

Im Hinblick auf die Sprache ist das Gedicht von einer Bildhaftigkeit und Emotionalität geprägt, die typisch für die Romantik ist. Die Natur spielt eine zentrale Rolle und wird von Eichendorff genutzt, um Gefühle und Stimmungen zu illustrieren.

Im Ganzen ist das Gedicht „An die Dichter“ sowohl eine Anklage gegen die sich verändernde Gesellschaft als auch eine Ermahnung an die Dichter selbst, ihre Kunst mit Echtheit und Aufrichtigkeit zu praktizieren und nicht auf Eitelkeiten oder Modeerscheinungen zu setzen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An die Dichter“ des Autors Joseph von Eichendorff. Der Autor Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren. Im Zeitraum zwischen 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Der Romantik vorausgegangen waren die Epochen der Weimarer Klassik und der Aufklärung. Die Literaturepoche der Romantik ist zeitlich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einzuordnen. Besonders auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Musik und der Literatur hatte diese Epoche Auswirkungen. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die damalige Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Romantikern zuwider. Sie stellten sich in ihren Werken gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. Als Merkmale der Literatur der Romantik sind die Verklärung des Mittelalters, die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen aufzuführen. Bedeutende Symbole sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die äußere Form von romantischer Literatur ist völlig offen. Kein starres Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits direkt nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 15 Strophen und umfasst dabei 348 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff sind „Der verliebte Reisende“, „Die Heimat“ und „In Danzig“. Zum Autor des Gedichtes „An die Dichter“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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