Berlin (An den Kanälen) von Joachim Ringelnatz

Auf den Bänken
An den Kanälen
Sitzen die Menschen,
Die sich verquälen.
 
Saufende Lichter,
Tausend Gesichter
Blitzen vorbei: Berlin.
Übers Gewässer
Nebelt Benzin…
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Drunten wär’s besser.
 
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Hinter der Brücke
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Flog eine Mücke
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Ins Nasenloch.
 
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Loch meiner Nase,
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Nasenloch, niese doch
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In die stille Straße!
 
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Auf dem Omnibus, im Dach
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Rütteln meine Knochen,
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Werden gute Worte wach,
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Bleiben ungesprochen. – –
 
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Ach, da fällt mir die alte Zeitungsfrau ein –
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Vanblix oder Blax soll sie heißen –
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Die hat ein so seltsames Schütteln am Bein,
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Daß alle Hunde sie beißen. –
 
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An den Kanälen
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Auf den dunklen Bänken
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Sitzen die Menschen, die
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Sich morgens ertränken.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.7 KB)

Details zum Gedicht „Berlin (An den Kanälen)“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
100
Entstehungsjahr
1933
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht stammt von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Dichter und Kabarettisten, der von 1883 bis 1934 lebte. Da einem exakten Veröffentlichungsdatum des Gedichts nicht begegnet werden kann, kann der zeitlichen Einordnung nur vorsichtig angegangen werden. Ringelnatz schrieb zumeist in den 1920er- und 1930er-Jahren, sodass man dieses Gedicht vermutlich diesen Jahrzehnten zuordnen kann.

Auf den ersten Blick zeigt das Gedicht visuelle und auch wahrnehmungsbezogene Eindrücke des lyrischen Ichs auf, die es in der Stadt Berlin erlebt. Die städtische Atmosphäre, die Menschen und das Leben darin sind die primären Themen.

In einfachen Worten erzählt das Gedicht von Menschen, die in Berlin an den Kanälen sitzen und leiden. Das lyrische Ich beobachtet die Szenerie, nimmt die Lichter, die Gerüche und die Geräusche wahr und reflektiert über die Unzufriedenheit und das Unglück, das es in der Stadt sieht. Verschiedene Beobachtungen und Anekdoten werden geschildert, etwa die von einer alten Zeitungsfrau mit dem seltsam schüttelnden Bein, oder die der Reisenden im Omnibus, deren gute Absichten unausgesprochen bleiben.

Das lyrische Ich kommt zu der traurigen Erkenntnis, dass die Menschen, die morgens an den Kanälen verharren, am Abend ertrunken sind – ein starkes Symbol für eine deprimierende und ausweglose Situation.

Die Form des Gedichts ist balladenartig mit einem losen Versmaß, das aus vier- oder dreizeiligen Strophen besteht. Die Reimstruktur ist auffällig unsystematisch, oftmals mit paarreimen, manchmal sind die Verse jedoch auch reimlos.

Die Sprache ist direkt, fast schon prosaisch und dabei dennoch sehr bildhaft. Trotz der recht einfachen Wortwahl schafft der Dichter eine hohe Intensität und Emotionalität. Die Wiederholungen, wie zum Beispiel die des Wortes „Nasenloch“, erhöhen zudem die suggestiven Kraft und bringen eine gewisse komische Note in das ansonsten recht düstere Gedicht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht ein eindringliches Bild des städtischen Lebens und insbesondere der menschlichen Schicksale in Berlin zeichnet. Es zeigt die Kluft zwischen der lebhaften, pulsierenden Metropole und der harten Realität der Menschen, die dort leben und leiden.

Weitere Informationen

Joachim Ringelnatz ist der Autor des Gedichtes „Berlin (An den Kanälen)“. Ringelnatz wurde im Jahr 1883 in Wurzen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1933. In Berlin ist der Text erschienen. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Moderne oder Expressionismus zu. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 100 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Die Gedichte „Abgesehen von der Profitlüge“, „Abglanz“ und „Abschied von Renée“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Berlin (An den Kanälen)“ weitere 560 Gedichte vor.

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