Die Zeit geht nicht von Gottfried Keller

Die Zeit geht nicht, sie stehet still,
Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist die Karawanserei,
Wir sind die Pilger drin.
 
Ein Etwas, form- und farbenlos,
Das nur Gestalt gewinnt,
Wo ihr drin auf und nieder taucht,
Bis wieder ihr zerrinnt.
 
Es blitzt ein Tropfen Morgentau
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Im Strahl des Sonnenlichts;
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Ein Tag kann eine Perle sein
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Und ein Jahrhundert nichts.
 
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Es ist ein weisses Pergament
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Die Zeit, und jeder schreibt
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Mit seinem roten Blut darauf,
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Bis ihn der Strom vertreibt.
 
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An dich, du wunderbare Welt,
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Du Schönheit ohne End',
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Auch ich schreib' meinen Liebesbrief
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Auf dieses Pergament.
 
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Froh bin ich, dass ich aufgeblüht
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In deinem runden Kranz;
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Zum Dank trüb' ich die Quelle nicht
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Und lobe deinen Glanz.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Die Zeit geht nicht“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
118
Entstehungsjahr
1819 - 1890
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Zeit geht nicht“ wurde von Gottfried Keller geschrieben, einem bedeutenden schweizerischen Dichter des 19. Jahrhunderts. Keller lebte von 1819 bis 1890 und war ein Vertreter des poetischen Realismus.

Bei der ersten Lektüre des Gedichts entsteht ein starker Eindruck von Melancholie und Reflektion. Der Fokus auf die Zeit und ihr unaufhaltsames Fortschreiten wird zusammen mit einer persönlichen Reise dargestellt.

Das lyrische Ich des Gedichts entwickelt eine komplexe Betrachtung der Zeit. Für ihn ist Zeit nicht etwas, das vergeht, sondern etwas, das verharrt. Das lyrische Ich sieht Menschen als Pilger, die durch die Zeit reisen. Zeit ist ein form- und farbloser Raum, der nur Form erhält, wenn Menschen ihn betreten und schließlich wieder verlassen. Die Botschaft könnte darin liegen, dass Zeit an sich unbedeutend ist und erst durch menschliches Erleben und menschliche Existenz Form und Bedeutung erhält. Desweiteren spricht das lyrische Ich von der Einzigartigkeit jedes Tages und der insignifikanten Bedeutung, die ein ganzes Jahrhundert haben kann.

In Bezug auf die Form und Sprache des Gedichts handelt es sich bei dem Werk um ein klassisches Gedicht in sechs Vierzeilenstophen. Die Sprache ist eher schlicht und dennoch metaphorisch geladen, was besonders in der Verwendung solcher Bilder wie der „Karawanserei“ und der „Perle“ zum Ausdruck kommt.

Im letzten Teil des Gedichts offenbart das lyrische Ich seine Dankbarkeit und Liebe zur Welt. Es sieht sich selbst als Teil des Ganzen und fühlt sich geehrt, in dieser Welt existieren zu dürfen. Das Bild der Quelle, die nicht getrübt wird, könnte eine Metapher dafür sein, dass das lyrische Ich die Welt nicht negativ beeinflussen oder ihr Schaden zufügen will. Seine Absicht ist es, die Schönheit und den Glanz der Welt zu loben.

Insgesamt betrachtet, ist dieses Gedicht eine tiefe Reflexion über die Zeit und unsere Rolle innerhalb ihrer Grenzen. Es befasst sich mit der effektiven Nutzung der uns gegebenen Zeit und der Wertschätzung der Welt um uns herum.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Zeit geht nicht“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Gottfried Keller. Im Jahr 1819 wurde Keller in Zürich geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1835 bis 1890 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Keller ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 118 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Der Dichter Gottfried Keller ist auch der Autor für Gedichte wie „Herbstnacht“, „Herbstlied“ und „Die kleine Passion“. Zum Autor des Gedichtes „Die Zeit geht nicht“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 48 Gedichte vor.

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