Herbstentschluß von Nikolaus Lenau

Trübe Wolken, Herbstesluft,
Einsam wandl' ich meine Straßen,
Welkes Laub, kein Vogel ruft
Ach, wie stille! wie verlassen!
 
Todeskühl der Winter naht;
Wo sind, Wälder, eure Wonnen?
Fluren, eurer vollen Saat
Goldne Wellen sind verronnen!
 
Es ist worden kühl und spät,
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Nebel auf der Wiese weidet,
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Durch die öden Haine weht
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Heimweh; - alles flieht und scheidet.
 
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Herz, vernimmst du diesen Klang
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Von den felsentstürzten Bächen?
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Zeit gewesen wär' es lang,
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Daß wir ernsthaft uns besprächen!
 
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Herz, du hast dir selber oft
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Weh getan und hast es andern,
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Weil du hast geliebt, gehofft;
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Nun ist's aus, wir müssen wandern!
 
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Auf die Reise will ich fest
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Ein dich schliessen und verwahren,
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Draußen mag ein linder West
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Oder Sturm vorüberfahren;
 
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Daß wir unsern letzten Gang
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Schweigsam wandeln und alleine,
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Daß auf unserm Grabeshang
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Niemand als der Regen weine!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Herbstentschluß“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
136
Entstehungsjahr
1802 - 1850
Epoche
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Herbstentschluß“ wurde vom österreichischen Dichter Nikolaus Lenau geschrieben, der von 1802 bis 1850 lebte. Er gilt als Hauptvertreter der Spätromantik, und sein Leben und Schaffen sind zwischen den politischen Umbrüchen der napoleonischen Ära und der Revolution von 1848 einzuordnen.

Auf den ersten Blick erweckt das Gedicht einen eher melancholischen und etwas düsteren Eindruck, geprägt von der Wehmut, die der Herbst hervorrufen kann. Zugleich findet man aber auch eine feste Entschlossenheit.

Das lyrische Ich beschreibt im Gedicht seine Wahrnehmungen der herbstlichen Natur: trübe Wolken, welkes Laub, Einsamkeit, die eintretende Kälte und das Vergehen der Zeit. Es wird ein Gefühl von Heimweh, Abschied und Einsamkeit vermittelt. In der Konfrontation mit diesen Erscheinungen reflektiert das lyrische Ich über sich selbst - über sein Herz, seine Handlungen und Gefühle. Es zieht eine klare Linie: was es in der Vergangenheit getan und empfunden hat, soll nun beendet sein. Es nimmt sich vor, sein Herz, d.h. seine Gefühle, zu verschließen und alleine weiterzuziehen, auch wenn das bedeutet, dass es niemanden mehr gibt, der um ihn trauert.

Formal besteht das Gedicht aus sieben Strophen zu jeweils vier Versen. Es setzt durchgehend Endreime ein und erzeugt auf diese Weise einen rhythmischen Fluss, der das Lesen bzw. Vorlesen sehr angenehm macht. Das Vokabular ist relativ einfach und alltäglich, aber dennoch sehr bildhaft und ausdrucksstark. Insbesondere die Natur-Metaphorik liefert sowohl eine sinnliche Beschreibung des herbstlichen Umfeldes als auch eine Allegorie für die innere Stimmung des lyrischen Ichs. Insgesamt transportiert das Gedicht sehr gut das grundlegende romantische Motiv des Individuums, das sich in der Erfahrung der Natur mit sich selbst und seinem emotionalen Inneren konfrontiert sieht und darin einen impulsiven Entschluss fasst.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Herbstentschluß“ ist Nikolaus Lenau. Geboren wurde Lenau im Jahr 1802 in Csatád. Zwischen den Jahren 1818 und 1850 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Biedermeier zuordnen. Lenau ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 136 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Nikolaus Lenau sind „Der Postillion“, „An einem Grabe“ und „An die Entfernte“. Zum Autor des Gedichtes „Herbstentschluß“ haben wir auf abi-pur.de weitere 51 Gedichte veröffentlicht.

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