Der Blitzzug von Detlev von Liliencron

Quer durch Europa von Westen nach Osten
Rüttert und rattert die Bahnmelodie.
Gilt es die Seligkeit schneller zu kosten?
Kommt er zu spät an im Himmelslogis?
.....Fortfortfortfortfortfort drehn sich die Räder
.....Rasend dahin auf dem Schienengeäder,
.....Rauch ist der Bestie verschwindender Schweif,
.....Schaffnerpfiff, Lokomotivengepfeif.
 
Länder verfliegen und Städte versinken,
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Stunden und Tage verflattern im Flug,
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Täler und Berge, vorbei, wenn sie winken,
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Traumbilder, Sehnsucht und Sinnenbetrug.
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.....Mondschein und Sonne, noch einmal die Sterne,
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.....Bald ist erreicht die beglückende Ferne,
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.....Dämmerung, Abend und Nebel und Nacht,
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.....Stürmisch erwartet, was glühend gedacht.
 
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Dämmerung senkt sich allmählich wie Gaze,
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Schon hat die Venus die Wache gestellt.
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Nur noch ein Stündchen! Dann nimmt sich die Straße,
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Trennt, was sich hier aneinander gesellt:
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.....Reiche Familien, Bankiers, Kavaliere,
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.....Landrat, Gelehrter, ein Prinz, Offiziere,
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....."Damen und Herren", ein Dichter im Schwarm,
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.....Liebliche Kinder mit Spielzeug im Arm.
 
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Nun ist das Dunkel dämonisch gewachsen,
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In den Coupés brennt die Gasflamme schon,
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Fortfortfortfortfortfort, glühende Achsen,
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Schrillt ein Signal, klingt ein wimmernder Ton?
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.....Fortfortfortfortfortfort, steht an der Kurve,
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.....Steht da der Tod mit der Bombe zum Wurfe?
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.....Halthalthalthalthalthalthalthalthaltein
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.....Ein andrer Zug fährt mitten hinein.
 
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Folgenden Tags, unter Trümmern verloren,
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Finden sich zwischen verkohltem Gebein,
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Finden sich schuttüberschüttet zwei Sporen,
36 
Brennscheren, Uhren, ein Aktienschein,
37 
.....Geld, ein Gedichtbuch: "Seraphische Töne",
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.....Ringe, ein Notenblatt: "Meiner Camöne",
39 
.....Endlich ein Püppchen, im Bettchen verbrannt,
40 
.....Dem war ein Eselchen vorgespannt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Der Blitzzug“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
224
Entstehungsjahr
1844 - 1909
Epoche
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Blitzzug“ wurde von Detlev von Liliencron verfasst, einem deutschen Dichter, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebte und schrieb.

Auf den ersten Blick hinterlässt das Gedicht einen starken Eindruck von Bewegung und Geschwindigkeit, eine Art rasanten Zugfahrt durch Europa.

Das Gedicht erzählt die Geschichte einer Bahnsfahrt, die quer durch Europa an vielerlei Landschaften und Orten vorbeizieht, angefüllt mit verschiedenen Passagieren, darunter eine bunte Mischung verschiedenster Menschen. Diese rasche Reise wird plötzlich von einer Katastrophe unterbrochen, als sich ein weiterer Zug der Bahnstrecke nähert und es zu einem fatalen Zusammenstoß kommt. In den Trümmern finden sich die Überreste des Alltags, Geld, Spielzeug, Gedichte, festgehalten in der lyrischen Form als direkte Zeugen der vergangenen Ereignisse.

Das Hauptthema des Gedichts, wie es das lyrische Ich ausdrückt, scheint die Vergänglichkeit und die plötzliche, schockierende Beendigung des Lebens durch eine unabsehbare Katastrophe zu sein. Es spiegelt jedoch auch den menschlichen Drang nach Geschwindigkeit und Bewegung wider und streift das Thema der Industrialisierung und Modernisierung, das zur Zeit des Autors aktuell war.

Formal hat das Gedicht mit seinen regelmäßig wiederkehrenden Strukturen und Reimen einen sehr rhythmischen, fast rasenden Charakter, der gut zum Thema der schnellen Zugfahrt passt. In puncto Sprache ist das Gedicht durch eine starke Bildsprache und lebendige Metaphern gekennzeichnet, in der die Bahnstrecke als pulsierendes Adernetz, der Zug als tobende Bestie und der Schaffner als pfeifender Herrscher zum Leben erweckt wird.

Insgesamt nutzt Detlev von Liliencron in „Der Blitzzug“ sowohl Form als auch Sprache um das Hauptthema und die Stimmung des Gedichts - Bewegung, Geschwindigkeit und plötzliche Zerstörung – zu verstärken und die Leser*innen in seinen Bann zu ziehen.

Weitere Informationen

Detlev von Liliencron ist der Autor des Gedichtes „Der Blitzzug“. Im Jahr 1844 wurde Liliencron in Kiel geboren. Im Zeitraum zwischen 1860 und 1909 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Naturalismus zugeordnet werden. Liliencron ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 224 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Detlev von Liliencron sind „Herbst“, „Dorfkirche im Sommer“ und „König Regnar Codbrog“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Blitzzug“ weitere 63 Gedichte vor.

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