Waldmärchen von Christian Morgenstern

Es lebt ein Ries' im Wald,
der hat ein Ohr so groß,
wenn da ein Donner schallt,
ist's ihm ein Jucken bloß.
 
Er macht so mit der Hand,
als wie nach einer Hummel
sein eigenes Gebrummel
erschreckt das ganze Land.
 
Und kommt die Regenzeit,
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dann schläft er, und es wird
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aus seinem Ohr ein Teich,
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und dort sitzt dann der Hirt
 
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und tränkt dran seine Schaf;
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doch manchmal dreht, o Graus,
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der Ries' sich um im Schlaf
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und dann ist alles aus.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.1 KB)

Details zum Gedicht „Waldmärchen“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
82
Entstehungsjahr
1871 - 1914
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Waldmärchen“ ist Christian Morgenstern, ein bedeutender deutscher Dichter aus der Zeit der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert.

Beim ersten Eindruck beeindruckt das Gedicht durch seine fantasievolle und bildreiche Sprache, die eine fantastische und zugleich bedrohliche Atmosphäre schafft. Es kann als eine Mischung aus Märchen und Fabel gesehen werden, eine Genre, das typisch für Morgensterns lyrische Arbeiten ist.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich in einfachen Worten einen Riesen, der im Wald lebt und dessen körperliche Eigenheiten wie ein extrem großes Ohr und ein starkes Brummen auffällig sind. Während heftige Gewitter für ihn nur ein unbedeutendes Jucken im Ohr bedeuten, kann sein Brummen das gesamte Land erschrecken. Sein Schlaf während der Regenzeit verwandelt sein Ohr in einen Teich, an dem der Hirt seine Schafe tränkt. Jedoch birgt das Verhalten des Riesen auch eine Gefahr: Wenn er sich im Schlaf umdreht, ist es um die Schafe und wahrscheinlich um den Hirten geschehen.

Diese Beschreibungen könnten als metaphorische Aussagen des lyrischen Ichs interpretiert werden. Der Riese repräsentiert vielleicht die unberührte und wilde Natur, die gleichzeitig schön und bedrohlich ist. Auch die Intervention des Menschen, repräsentiert durch den Hirten, der sein Vieh an dem harmlos erscheinenden Teich tränkt, birgt Risiken, denn die Natur kann jederzeit ihre zerstörerische Kraft entfesseln.

Formal besteht das Gedicht aus vier Strophen mit jeweils vier Versen. Die Sprache ist einfach und sehr bildhaft. Es gibt kein festes Reimschema, jedoch gibt es einige Paarreime. Die Sprachbilder sind sehr visuell und audiosensorisch, da sie die Größe und das Gebrumm des Riesen und die Auswirkungen seiner Handlungen hervorheben. Mit dieser Technik schafft Morgenstern eine lebendige und greifbare Vorstellung des Märchenwaldes und des darin lebenden Riesen. Die humorvollen Vergleiche und Übertreibungen (ein Ohr so groß, dass ein Donner es nur kitzelt; sein Schnarchen erschreckt das ganze Land) sind typisch für Morgensterns Stil und verleihen dem Gedicht einen charmanten und zugleich ironischen Ton.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Waldmärchen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Christian Morgenstern. Morgenstern wurde im Jahr 1871 in München geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1887 bis 1914 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Der Schriftsteller Morgenstern ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 82 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Christian Morgenstern sind „Anto-logie“, „Bedenke, Freund, was wir zusammen sprachen“ und „Bim, Bam, Bum“. Zum Autor des Gedichtes „Waldmärchen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 189 Gedichte vor.

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