Bekenntnis von Karl Kraus

Ich bin nur einer von den Epigonen,
die in dem alten Haus der Sprache wohnen.
 
Doch hab’ ich drin mein eigenes Erleben,
ich breche aus und ich zerstöre Theben.
 
Komm’ ich auch nach den alten Meistern, später,
so räch’ ich blutig das Geschick der Väter.
 
Von Rache sprech’ ich, will die Sprache rächen
an allen jenen, die die Sprache sprechen.
 
Bin Epigone, Ahnenwerthes Ahner.
10 
Ihr aber seid die kundigen Thebaner!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Bekenntnis“

Autor
Karl Kraus
Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
10
Anzahl Wörter
70
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Bekenntnis“ stammt von dem österreichischen Autor Karl Kraus, der zwischen 1874 und 1936 lebte. Dieser war ein bekannter Sprach- und Gesellschaftskritiker zu Beginn des 20. Jahrhunderts, daher lässt sich das Gedicht vermutlich in diesen Zeitrahmen einordnen.

Schon beim ersten Lesen sticht hervor, dass das lyrische Ich eine deutliche Selbstpositionierung vornimmt. Es bekennt sich dazu, „einer von den Epigonen“ zu sein, also ein Nachahmer, der in dem „alten Haus der Sprache“ wohnt. Hier scheint das lyrische Ich eine Position der Demut einzunehmen und seine eigene Daseinsberechtigung als Sprachverwender in der Tradition älterer Meister zu suchen.

Im weiteren Verlauf deklariert das lyrische Ich jedoch, dass es in dieser Tradition nicht nur respektvoll verweilt, sondern aktiv das „eigene Erleben“ gestaltet. Hier wird ein starkes Selbstbewusstsein deutlich, das mitschwingt in der Aussage „ich breche aus und ich zerstöre Theben“. Mit Theben könnte eine symbolische Ordnung gemeint sein, die das lyrische Ich hinterfragt und bewusst zerstört.

Diese Zerstörung erklärt das lyrische Ich als blutige Rache am Schicksal der vorangegangenen „alten Meister“. Es geht also nicht nur um die Wahrnehmung und Imitation der Sprache im Sinne der Epigonen, sondern auch um eine kritische Auseinandersetzung mit der Tradition und eine bewusste Gestaltung eigener Inhalte.

Der Wunsch, die Sprache zu „rächen an allen jenen, die die Sprache sprechen“, lässt annehmen, dass das lyrische Ich die etablierte Nutzung der Sprache als eintönig oder ungerecht empfindet und zu neuer Sprachkreativität aufrufen möchte. Bezeichnenderweise endet das Gedicht mit einer ironischen Umkehrung: Das lyrische Ich bezeichnet sich selbst als „Ahnenwerthes Ahner“, während es die Leser oder Sprecher als „kundige Thebaner“ beschreibt. Hier zeigt sich eine Ironie, die den Anspruch des lyrischen Ichs unterstreicht, die eigene Rolle in der Tradition bewusst zu wählen und zu gestalten.

Formal folgt das Gedicht einem simplen zweizeiligen Strophenaufbau, der Inhalt wird dabei knapp und prägnant vermittelt. Die Sprache ist erfüllt von bildhaften Metaphern, die den Kontrast von Tradition und Individualität, zwischen Bewahrung und Rebellion, verdeutlichen.

Insgesamt kann das Gedicht „Bekenntnis“ als kritischer Kommentar auf die Rolle des Schriftstellers in der Gesellschaft gedeutet werden. Es mündet in dem Aufruf, Sprache nicht nur als gegebenes Werkzeug zu betrachten, sondern sie kreativ zu nutzen und fortlaufend neu zu gestalten. Damit weist es auf die zeitlose Berechtigung und Notwendigkeit von kritischer Reflexion und künstlerischer Innovation hin.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Bekenntnis“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Karl Kraus. Der Autor Karl Kraus wurde 1874 in Jičín (WP), Böhmen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1920 zurück. Der Erscheinungsort ist München. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das Gedicht besteht aus 10 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 70 Worte. Die Gedichte „Abschied und Wiederkehr“, „Alle Vögel sind schon da“ und „Als Bobby starb“ sind weitere Werke des Autors Karl Kraus. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Bekenntnis“ weitere 61 Gedichte vor.

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