Ein Friedhofbesuch von Johann Nepomuk Vogl

Beim Totengräber pocht es an:
"Mach auf, mach auf, du greiser Mann!
Tu auf die Tür und nimm den Stab,
Mußt zeigen mir ein teures Grab!"
 
Ein Fremder spricht's mit strupp'gem Bart,
Verbrannt und rauh nach Kriegerart.
"Wie heißt der Teure, der euch starb
Und sich ein Pfühl bei mir erwarb?"
 
"Die Mutter ist es, kennt ihr nicht
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Der Martha Sohn mehr am Gesicht?"
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"Hilf Gott, wie groß, wie braungebrannt!
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Hätt' nun und nimmer euch erkannt;
 
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Doch kommt und seht, hier ist der Ort,
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Nach dem gefragt mich Euer Wort.
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Hier wohnt, verhüllt von Erd' und Stein,
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Nun Euer totes Mütterlein".
 
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Er steht und starrt zum teuren Grab
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Mit tränenfeuchtem Blick hinab.
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Dann schüttelt er sein Haupt und spricht:
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"Ihr irrt, hier wohnt die Tote nicht.
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Wie schlöss' ein Raum, so eng und klein,
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Die Liebe einer Mutter ein!"
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Ein Friedhofbesuch“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
22
Anzahl Wörter
139
Entstehungsjahr
1802 - 1866
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Ein Friedhofbesuch“ stammt von Johann Nepomuk Vogl, einem österreichischen Dichter aus dem 19. Jahrhundert, der von 1802 bis 1866 lebte.

In „Ein Friedhofbesuch“ wird der Leser sofort in eine düstere und melancholische Stimmung versetzt, als ein Krieger, der seit langem von zu Hause fern war, das Grab seiner verstorbenen Mutter besucht. Das lyrische Ich, der im Krieg erfahrene Soldat, will ein bereits „teures“ Grab gezeigt bekommen, welches das Grab der verstorbenen Mutter sein soll. Der Soldat kann von dem Totengräber, der ihn kennt, durch seine körperlichen Veränderungen erst nicht erkannt werden. Er ist entgeistert, dass das Grab, welches eine symoblische Unterkunft für seine Mutter darstellt, in einem so kleinem Format präsentiert wird. Das lyrische Ich ist der Meinung, dass dies der Größe von Mütterlicher Liebe nicht gerecht wird und widerspricht der Darstellung der Totenruhe.

Das Gedicht besteht aus fünf Strophen. Die ersten vier Strophen bestehen jeweils aus vier Versen, die letzte Strophe wohl aus sechs Versen. Es wird eine lineare Gesichte erzählt, wodurch eine melodische Atmosphäre entsteht und das Lesertempo bestimmt wird. Die Sprache des Gedichts ist einfach gehalten, was die traurige und ernste Bedeutung des Textes unterstreicht. In einigen Versen werden auch altertümliche und regionalsprachliche Wörter benutzt, die den historischen Kontext des Gedichts hervorheben und eine zusätzliche atmosphärische Dimension hinzufügen.

Die Botschaft des Gedichts ist eine tiefe Reflexion über den Tod, die Anerkennung mütterlicher Liebe und die Unzulänglichkeit weltlicher Würdigungen, wie einem Grab, diese zu repräsentieren. Schließlich ist das lyrische Ich überzeugt, dass die immaterielle Realität der Liebe und Hingabe seiner Mutter, sich nicht durch ein Grab in der physischen Welt darstellen lässt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Ein Friedhofbesuch“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Nepomuk Vogl. Geboren wurde Vogl im Jahr 1802 in Wien. Im Zeitraum zwischen 1818 und 1866 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zuordnen. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das vorliegende Gedicht umfasst 139 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 22 Versen. Die Gedichte „Waldkonzert“, „Das Erkennen“ und „Vorgefühl“ sind weitere Werke des Autors Johann Nepomuk Vogl. Zum Autor des Gedichtes „Ein Friedhofbesuch“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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