Bei St. Veit von Rainer Maria Rilke
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Gern steh ich vor dem alten Dom; |
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wie Moder weht es dort, wie Fäule, |
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und jedes Fenster, jede Säule |
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spricht noch ihr eignes Idiom. |
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Da hockt ein reichgeschnörkelt Haus |
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und lächelt Rokoko-Erotik, |
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und hart daneben streckt die Gotik |
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die dürren Hände betend aus. |
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Jetzt wird mir klar der casus rei; |
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ein Gleichnis ists aus alten Zeiten: |
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der Herr Abbé hier – ihm zuseiten |
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die Dame des roi soleil. |
Details zum Gedicht „Bei St. Veit“
Rainer Maria Rilke
3
12
67
nach 1891
Moderne
Gedicht-Analyse
Das zu interpretierende Gedicht „Bei St. Veit“ wurde von Rainer Maria Rilke, einem der wichtigsten Lyriker der literarischen Moderne, geschrieben. Rilke lebte von 1875 bis 1926. Daher ist das Gedicht zeitlich der literarischen Epoche der Moderne zuzuordnen, genauere Angaben zur Entstehungszeit sind jedoch nicht gegeben.
Der erste Eindruck des Gedichts vermittelt ein Bild der Vergänglichkeit und der historischen Vielschichtigkeit eines Bauwerks, das als „Dom“ bezeichnet wird und anscheinend einen starken Eindruck auf das lyrische Ich hinterlässt.
Im Inhalt geht es um das Bild eines Doms, den das lyrische Ich betrachtet und interpretiert. Es werden Eindrücke und Sinneswahrnehmungen stark in den Vordergrund gestellt, wie die Anmutung von „Moder“ und „Fäule“, die aber gleichzeitig Anzeichen der langen Geschichte des Gebäudes sind. Dabei erscheinen die verschiedenen Stilepochen als quasi lebendige Wesen: Ein „reichgeschnörkeltes Haus“ ist als Zeichen des Rokoko zu deuten, das neben der strengen Gotik steht. Das lyrische Ich nimmt diese Architektur als Zeugnisse historischer Epochen und ihrer jeweiligen künstlerischen Ausdrucksformen wahr.
In Bezug auf die Form zeigt sich, dass das Gedicht in drei vierzeiligen Strophen organisiert ist und dabei eine klare, für Rilke typische Sprache verwendet wird. Die jeweiligen Strophen enthalten unterschiedliche Aspekte, sowohl in Bezug auf die konkreten Sinneseindrücke als auch auf die gedankliche Ausarbeitung der historischen Bedeutung.
Die Sprache des Gedichts zeichnet sich durch klare, gut nachvollziehbare Ausdrücke aus. Besonders bemerkenswert ist, dass Rilke die einzelnen Bauelemente und -stile fast wie lebende Wesen darstellt, was der Betrachtung eine besondere Lebendigkeit verleiht. Hinzu kommen kunstgeschichtliche Anspielungen, wie z.B. das „reichgeschnörkelte Haus“ und die „dürren Hände“, die mit „Rokoko-Erotik“ und „Gotik“ assoziiert sind.
Insgesamt lässt sich das Gedicht als eine sehr persönliche, sinnlich geprägte Betrachtung eines geschichtsträchtigen Orts verstehen, bei der die zeitlichen Schichten der Vergangenheit durch die visuelle Darstellung von Baustilen und Elementen zum Ausdruck gebracht werden. Dabei weist Rilke auf die Unmöglichkeit hin, diese Vergangenheit eindeutig zu deuten oder gar wiederzuerlangen. Es bleibt bei einer Faszination für die vielschichtige Geschichte und deren sichtbaren Spuren im Hier und Jetzt.
Weitere Informationen
Rainer Maria Rilke ist der Autor des Gedichtes „Bei St. Veit“. Rilke wurde im Jahr 1875 in Prag geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1891 und 1926. Frankfurt am Main ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Rilke ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 67 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 12 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Rainer Maria Rilke sind „Adam“, „Advent“ und „Allerseelen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Bei St. Veit“ weitere 338 Gedichte vor.
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