Schwäbische Kunde von Ludwig Uhland

Als Kaiser Rotbart lobesam
zum heil'gen Land gezogen kam,
da mußt' er mit dem frommen Heer
durch ein Gebirge wüst und leer.
 
Daselbst erhob sich große Not.
Viel Steine gab's und wenig Brot.
Und mancher deutsche Reitersmann
Hat dort den Trunk sich abgetan.
 
Den Pferden ward so schwach im Magen,
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fast mußt der Reiter die Mähre tragen.
 
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Nun war ein Herr aus Schwabenland,
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von hohem Wuchs und starker Hand.
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Des Rößlein war so krank und schwach,
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er zog es nur am Zaume nach.
 
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Er hätt' es nimmer aufgegeben,
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und kostet's ihn das eig'ne Leben.
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So blieb er bald ein gutes Stück
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hinter dem Heereszug zurück.
 
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Da sprengten plötzlich in die Quer
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fünfzig türkische Reiter daher!
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Die huben an, auf ihn zu schießen
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nach ihm zu werfen mit den Spießen.
 
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Der wackre Schwabe forcht' sich nit,
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ging seines Weges Schritt vor Schritt,
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ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
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und tät nur spöttlich um sich blicken,
 
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bis einer, dem die Zeit zu lang,
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auf ihn den krummen Säbel schwang.
 
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Da wallt dem Deutschen auch sein Blut.
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Er trifft des Türken Pferd so gut,
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er haut ihm ab mit einem Streich
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die beiden Vorderfüß zugleich.
 
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Als er das Tier zu Fall gebracht,
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da faßt er erst sein Schwert mit Macht,
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er schwingt es auf des Reiters Kopf,
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haut durch bis auf den Sattelknopf,
 
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haut auch den Sattel noch zu Stücken
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und tief noch in des Pferdes Rücken.
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Zur Rechten sah man wie zur Linken
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einen halben Türken heruntersinken.
 
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Da packt die andern kalter Graus,
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sie fliehn in alle Welt hinaus,
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und jedem ist's, als würd ihm mitten
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durch Kopf und Leib hindurchgeschnitten.
 
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Drauf kam des Wegs 'ne Christenschar,
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die auch zurückgeblieben war;
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die sahen nun mit gutem Bedacht,
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welch Arbeit unser Held gemacht.
 
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Von denen hat's der Kaiser vernommen,
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der ließ den Schwaben vor sich kommen;
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er sprach: "Sag an, mein Ritter wert!
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Wer hat dich solche Streich gelehrt?"
 
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Der Held besann sich nicht zu lang:
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"Die Streiche sind bei uns im Schwang!
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Sie sind bekannt im ganzen Reiche;
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man nennt sie halt nur Schwabenstreiche!"
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.9 KB)

Details zum Gedicht „Schwäbische Kunde“

Anzahl Strophen
15
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
343
Entstehungsjahr
1787 - 1862
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Schwäbische Kunde“ wurde von dem deutschen Dichter Ludwig Uhland geschrieben, der im Zeitalter des Biedermeier und der Romantik lebte.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie eine erzählende Ballade oder ein Volkslied, das in traditioneller Form von Heldentum, Mut und Überlebenskampf erzählt.

Inhaltlich geht es um den Marsch des deutschen Kaisers Rotbart und seiner Armee durch ein Gebirge zum heiligen Land. Diese Reise ist entbehrungsreich und voller Gefahren. Lebensmittel sind knapp, viele sterben, die Pferde sind so entkräftet, dass die Reiter sie tragen müssen. Einer der Reiter, ein Schwabe, weigert sich jedoch, sein Pferd aufzugeben, auch wenn das seinen Tod bedeuten könnte. Bald wird er von türkischen Reitern angegriffen. Anstatt zu fliehen, bleibt er standhaft. Er wehrt die Angriffe ab und tötet alle Angreifer auf solch brutale Weise, dass die übrigen türkischen Reiter vor Angst fliehen. Die Nachricht von seinem Heldentum gelangt zum Kaiser, der den Schwaben zu sich ruft und ihn nach dem Ursprung seiner Fähigkeiten fragt. Der Schwabe antwortet, dass diese Fähigkeiten in seiner Heimat, Schwaben, ganz normal seien und als „Schwabenstreiche“ bekannt sind.

Das lyrische Ich des Gedichts verkörpert in Form des Erzählers entweder den Dichter selbst oder eine dritte Person, die die Ereignisse berichtet.

Form und Sprache des Gedichts sind gekennzeichnet durch einen prägnanten Stil im Sinne der Balladentradition. Die Strophen sind klar strukturiert, jeweils in Reimpaaren. Die Sprache ist einfach und verständlich, sie enthält allerdings archaische Begriffe und Formulierungen, die auf das Mittelalter verweisen.

Die zentrale Aussage des Gedichts scheint die Darstellung von Mut, Ausdauer und Heldenmut zu sein, sowie das Hochhalten von traditionellen Werten und Fähigkeiten aus der Heimat, hier repräsentiert durch den tapferen Schwaben. Es könnte als eine Art Huldigung an das schwäbische und allgemein süddeutsche Volk interpretiert werden.

Weitere Informationen

Ludwig Uhland ist der Autor des Gedichtes „Schwäbische Kunde“. Im Jahr 1787 wurde Uhland in Tübingen geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1803 bis 1862 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei Uhland handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine Epoche der Kulturgeschichte, zeitlich anzusiedeln vom späten 18. Jahrhundert bis spät in das 19. Jahrhundert hinein. Auf die Literatur bezogen: von 1795 bis 1848. Sie hatte umfangreiche Auswirkungen auf Literatur, Kunst, Musik und Philosophie jener Zeit. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Welt, die sich durch die einsetzende Industrialisierung und Verstädterung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Romantik. Wesentliche Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Andere Motive sind das Fernweh, die Todessehnsucht oder das Nachtmotiv. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Mysteriöse, Geheimnisvolle und galt als Ursprung der Liebe. Typische Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Kunst und Architektur des Mittelalters wurden von den Vertretern der Romantik wieder geschätzt. Die äußere Form von romantischer Literatur ist dabei völlig offen. Kein festgesetztes Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits direkt nach Erscheinen der Werke wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 343 Wörter. Es baut sich aus 15 Strophen auf und besteht aus 56 Versen. Die Gedichte „Unter der Linden“, „Waldlied“ und „Trinklied“ sind weitere Werke des Autors Ludwig Uhland. Zum Autor des Gedichtes „Schwäbische Kunde“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 57 Gedichte vor.

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