AUS! von Kurt Tucholsky

Einmal müssen zwei auseinandergehn;
einmal will einer den andern nicht mehr verstehn
einmal gabelt sich jeder Weg - und jeder geht allein
wer ist daran schuld?
 
Es gibt keine Schuld. Es gibt nur den Ablauf der Zeit.
Solche Straßen schneiden sich in der Unendlichkeit.
Jeder trägt den andern mit sich herum
etwas bleibt immer zurück.
 
Einmal hat es euch zusammengespült,
10 
ihr habt euch erhitzt, seid zusammengeschmolzen, und dann erkühlt
11 
Ihr wart euer Kind. Jede Hälfte sinkt nun herab -:
12 
ein neuer Mensch.
 
13 
Jeder geht seinem Schicksal zu.
14 
Leben ist Wandlung. Jedes Ich sucht ein Du.
15 
Jeder sucht seine Zukunft. Und geht mit stockendem Fuß,
16 
vorwärtsgerissen vom Willen, ohne Erklärung und Gruß
17 
in ein fernes Land.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „AUS!“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
17
Anzahl Wörter
115
Entstehungsjahr
1890 - 1935
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das besprochene Gedicht trägt den Titel „AUS!“ und ist von Kurt Tucholsky, einem deutschen Schriftsteller und Journalisten aus der Weimarer Republik. Tucholsky lebte von 1890 bis 1935, was eine zeitliche Einordnung in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ermöglicht.

Auf den ersten Blick behandelt Tucholsky das Ende einer Beziehung und die damit oft verknüpfte Frage nach Schuld. Er beleuchtet zudem das Fortschreiten im Leben nach einer Trennung und die daraus resultierende Veränderung.

Die vier Strophen beschreiben verschiedene Aspekte von Beziehungsenden und dem Leben danach. In der ersten Strophe stellt das lyrische Ich fest, dass Beziehungen enden können und wirft die Frage nach der Schuld auf. Die Antwort liefert die zweite Strophe – es gibt keine Schuld, es ist nur der Lauf der Zeit. In der dritten Strophe erläutert das Ich, dass manchmal zwei Menschen zusammenkommen und eine Einheit bilden, wie geschmolzen und dann erkaltet, doch letztendlich wieder auseinandergehen und als neuer Mensch aus dieser Erfahrung hervorgehen. In der vierten und letzten Strophe betont das lyrische Ich die Unvermeidbarkeit von Veränderung im Leben und damit auch in Beziehungen. Jeder Mensch ist auf der Suche nach einem „Du“, nach jemandem, mit dem er sein Leben teilen kann, aber gleichzeitig muss er evtl. auch ohne dieses „Du“ weiter schreiten und sich anpassen.

Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit insgesamt 17 Versen. Auffällig ist, dass die letzte Strophe fünf Verse hat im Gegensatz zu den anderen Strophen, die jeweils vier Verse umfassen. Dies kann als Hinweis auf die Unberechenbarkeit von Beziehungen und Leben allgemein interpretiert werden.

Tucholsky benutzt eine eher einfache, klare Sprache, die es ermöglicht, den Inhalt des Gedichts auch ohne tiefgründige Kenntnisse der Dichtkunst zu verstehen. Dennoch lässt das Gedicht Raum für Interpretationen, die über den wörtlichen Sinn hinausgehen. Es weckt Emotionen und regt zum Nachdenken an über das Leben, die Liebe, das Streben nach Verbundenheit, die Unausweichlichkeit von Veränderungen und die Möglichkeit, aus jeder Erfahrung als neuer Mensch hervorzugehen.

Weitere Informationen

Kurt Tucholsky ist der Autor des Gedichtes „AUS!“. 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. In der Zeit von 1906 bis 1935 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zuordnen. Bei dem Schriftsteller Tucholsky handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Erste Weltkrieg und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik hatten großen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik. Die Neue Sachlichkeit in der Literatur der Weimarer Republik ist von distanzierter Betrachtung der Welt und Nüchternheit gekennzeichnet und politisch geprägt. Es wurde eine alltägliche Sprache verwendet um mit den Texten so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Die Freiheit von Wort und Schrift war zwar verfassungsmäßig garantiert, doch bereits 1922 wurde nach der Ermordung von Walter Rathenau das Republikschutzgesetz erlassen, das diese Freiheit wieder einschränkte. Viele Schriftsteller litten unter dieser Zensur. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die zum Beispiel in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz setze den Schriftstellern dieser Zeit noch mal verstärkt Grenzen. 1931 trat die Pressenotverordnung in Kraft, dadurch waren die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate hinweg möglich geworden.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht im Ausland suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk im Heimatland bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist religiöse oder politische Gründe den Ausschlag. Die Exilliteratur in Deutschland entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten zum Beispiel die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Die Themen der deutschen Exilliteratur lassen sich zunächst in zwei Gruppen einteilen. Einige Schriftsteller fühlten sich in ihrer neuen Heimat nicht zu Hause, hatten Heimweh und wollten einfach in ihr altes Leben vor dem Nationalsozialismus zurückkehren. Oft konnten sie im Ausland nicht mehr ihrer Tätigkeit als Schriftsteller nachgehen, da sie nur in Deutsch schreiben konnten, was im Ausland aber niemand verstand. Heimweh und ihre Liebe zum Mutterland sind die Themen in ihren Werken. Die anderen Schriftsteller wollten sich gegen Nazideutschland wehren. Man wollte einerseits die Welt über die Grausamkeiten in Deutschland aufklären. Andererseits aber auch den Widerstand unterstützen. Bestimmte formale Merkmale lassen sich jedoch nicht finden. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Realismus und Expressionismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte Gesellschaftsentwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das 115 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 17 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere Werke des Dichters Kurt Tucholsky sind „Abschied von der Junggesellenzeit“, „Achtundvierzig“ und „All people on board!“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „AUS!“ weitere 136 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Das Video mit dem Titel „Kurt Tucholsky Aus“ wurde auf YouTube veröffentlicht. Unter Umständen sind 2 Klicks auf den Play-Button erforderlich um das Video zu starten.

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Kurt Tucholsky

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Kurt Tucholsky und seinem Gedicht „AUS!“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Kurt Tucholsky (Infos zum Autor)

Zum Autor Kurt Tucholsky sind auf abi-pur.de 136 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.