Herbstnachmittag von Theodor Storm
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Halbschläfrig sitz ich im Lehnstuhl; |
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Vor der Tür auf dem Treppenstein |
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Schwatzen die Mädchen und schauen |
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In den hellen Sonnenschein. |
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Die Braunen, das sind meine Schwestern, |
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Die Blond' ist die Liebste meln. |
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Sie nähen und stricken und sticken, |
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Als sollte schon Hochzeit sein. |
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Von fern das Kichern und Plaudern |
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Und um mich her die Ruh, |
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In den Lüften ein Schwirren und Summen |
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Mir fallen die Augen zu. |
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Und als ich wieder erwache, |
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Ist alles still und tot, |
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Und durch die Fensterscheiben |
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Schimmert das Abendrot. |
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Die Mädchen sitzen wieder |
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Am Tisch im stummen Verein; |
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Und legen zur Seite die Nadeln |
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Vor dem blendenden Abendschein. |
Details zum Gedicht „Herbstnachmittag“
Theodor Storm
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1817 - 1888
Realismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Herbstnachmittag“ ist von Theodor Storm, einem deutschen Schriftsteller des Realismus, der von 1817 bis 1888 lebte. Die zeitliche Einordnung des Gedichts lässt sich daher in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, genauer gesagt in die Epoche des Biedermeiers und des Realismus, setzen.
Auf den ersten Blick beschreibt dieses Gedicht einen gewöhnlichen Herbstnachmittag, auf dem das lyrische Ich den Tag betrachtet, während es halbschläft. Besonders fällt die Ruhe und Friedlichkeit auf, die das Gedicht ausstrahlt, und die Bilder des ländlichen Lebens, die es hervorruft.
Inhaltlich beschreibt das Gedicht zunächst das lyrische Ich, das halbschläfrig in einem Sessel sitzt und beobachtet, wie einige Mädchen - seine Schwestern und seine Geliebte - draußen im Sonnenschein nähen, stricken und sticken. Sie tun dies so eifrig, als ob bald eine Hochzeit anstehen würde. Das Kichern und Plaudern der Mädchen mischt sich mit dem Schwirren und Summen der Luft. Das lyrische Ich schläft ein und als es aufwacht, ist alles still und tot, und das Abendrot scheint durch die Fensterscheiben. Die Mädchen sitzen wieder still zusammen und legen ihre Nadeln nieder, geblendet vom Abendschein.
Das lyrische Ich scheint sich in einer Art melancholischer Träumerei zu befinden. Es nimmt die äußere Welt nur schwach und gebrochen wahr, wie es der halbschlafende Zustand suggeriert. Die Zeit scheint fast stillzustehen in dieser friedlichen ländlichen Szenerie, aber in Wirklichkeit vergeht sie unerbittlich, wie das Abendrot symbolisiert. Vielleicht steht die hektische Näharbeit der Mädchen für das Leben selbst, das mit seiner Geschäftigkeit und Hektik unerbittlich weitergeht.
Das Gedicht hat 20 Verse und ist in fünf vierzeilige Strophen unterteilt. Es hat kein festes, durchgängiges Reimschema, aber es gibt einige gereimte Endungen. Die Form des Gedichts unterstützt dessen Inhalt: Die ruhige, fast melancholische Stimmung wird durch den langsamen, ruhigen Rhythmus der Verse und die lockere Form unterstrichen.
In Bezug auf die Sprache verwendet Storm eine schlichte, volksliedhafte Sprache. Dies verleiht dem Gedicht eine starke Anziehungskraft und lässt es als wirklichkeitsnah und authentisch erscheinen. Das Gedicht ist weitgehend deskriptiv, mit einem großen Fokus auf optischen Eindrücken. Die detaillierte, anschauliche Beschreibung der Szenerie erweckt die Szene zum Leben und ermöglicht es dem Leser, sich in das Geschehen hineinzuversetzen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Herbstnachmittag“ ein typisches Gedicht von Storm ist, das seine Fähigkeit zeigt, alltägliche Szenen in poetische Bilder zu verwandeln, und das seine grüblerische, melancholische Stimmung widerspiegelt.
Weitere Informationen
Theodor Storm ist der Autor des Gedichtes „Herbstnachmittag“. 1817 wurde Storm in Husum geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1833 und 1888. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei Storm handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 103 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 20 Versen mit nur einer Strophe. Der Dichter Theodor Storm ist auch der Autor für Gedichte wie „Juli“, „Knecht Ruprecht“ und „Käuzlein“. Zum Autor des Gedichtes „Herbstnachmittag“ haben wir auf abi-pur.de weitere 131 Gedichte veröffentlicht.
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