Abschied von Gastein von Franz Grillparzer

Die Trennungsstunde schlägt, und ich muß scheiden,
So leb’ denn wohl, mein freundliches Gastein!
Du Trösterin so mancher bittern Leiden,
Auch meine Leiden lulltest du mir ein,
Was Gott mir gab, worum sie mich beneiden,
Und was der Quell doch ist von meiner Pein,
Der Qualen Grund, von Wenigen ermessen,
Du ließest mich’s auf kurze Zeit vergessen.
 
Denn wie der Baum, auf den der Blitz gefallen,
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Mit einemmale strahlend sich verklärt,
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Rings hörst du der Verwundrung Ruf erschallen,
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Und jedes Aug’ ist staunend hingekehrt;
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Indeß in dieser Flamme glüh’ndem Wallen
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Des Stammes Mark und Leben sich verzehrt,
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Der, wie die Lohe steigt vom glüh’nden Herde,
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Um desto tiefer niedersinkt zur Erde.
 
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Und wie die Perlen, die die Schönheit schmücken,
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Des Wasserreiches wasserhelle Zier,
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Den Finder, nicht die Geberin beglücken,
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Das freudenlose, stille Muschelthier;
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Denn Krankheit nur und langer Schmerz entdrücken
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Das heißgesuchte, traur’ge Kleinod ihr,
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Und was euch so entzückt mit seinen Strahlen,
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Es ward erzeugt in Todesnoth und Qualen.
 
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Und wie der Wasserfall, deß lautes Wogen
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Die Gegend füllt mit Nebel und Getos;
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Auf seinem Busen ruht der Regenbogen,
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Und Diamanten schütteln rings sich los;
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Er wäre gern im stillen Thal gezogen,
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Gleich seinen Brüdern in der Wiesen Schoos,
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Die Klippen, die sich ihm entgegensetzen,
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Verschönern ihn, indem sie ihn verletzen.
 
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Der Dichter so; wenn auch vom Glück getragen,
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Umjubelt von des Beifalls lautem Schall,
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Er ist der welke Baum, vom Blitz geschlagen,
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Das arme Muschelthier, der Wasserfall;
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Was ihr für Lieder haltet, es sind Klagen,
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Gesprochen in ein freudenloses All,
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Und Flammen, Perlen, Schmuck, die euch umschweben,
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Gelöste Teile sind’s von seinem Leben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Abschied von Gastein“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
270
Entstehungsjahr
Sommer 1818
Epoche
Biedermeier,
Realismus

Gedicht-Analyse

„Abschied von Gastein“ ist ein Gedicht des österreichischen Dramatikers und Dichters Franz Grillparzer, der von 1791 bis 1872 lebte. Es entstand im 19. Jahrhundert, in der Epoche der Romantik.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht melancholisch und sehnsüchtig. Es vermittelt das Gefühl von innerer Zerrissenheit des lyrischen Ichs, dem Dichter selbst. Gastein spielt dabei eine zentrale Rolle als Ort der Trost und der Flucht vor den qualvollen Erinnerungen.

In dem Gedicht drückt das lyrische Ich seine Abschiedsgedanken aus, da es Gastein, an dem es schöne Erinnerungen und eine gewisse Zufriedenheit gefunden hat, verlassen muss. Es beschreibt Gastein als Trostspender für seine Leiden und betrachtet das Dichtertum in Bezug auf seinen eigenen Zustand. Dabei zieht es Parallelen zu Naturphänomenen wie dem vom Blitz getroffenen Baum, die Perle, die unter Schmerzen entsteht, und dem Wasserfall, der trotz der von ihm hervorgerufenen Unruhe bewundert wird.

In Bezug auf die Form des Gedichts besteht es aus fünf Strophen, jede mit acht Versen. Es folgt kein erkennbares Reimschema. Grillparzer benutzt metaphorische Sprache, um die inneren Leiden sowie das Dichtertum zu illustrieren. Der insistierende Rhythmus und die Ausdruckskraft der Sprache unterstreichen die Melancholie, die das lyrische Ich empfindet.

Die Sprache des Gedichts ist eher gehoben und passt es zur Romantik. Grillparzers Wortwahl lässt die Anerkennung gegenüber Gastein und die Traurigkeit über den bevorstehenden Abschied spüren. Die zahlreichen Metaphern symbolisieren die Schönheit, die oft aus Leid und Schmerz entsteht.

In Summe ist „Abschied von Gastein“ ein tiefgründiger Einblick in das Seelenleben eines Künstlers, der die Welt durch das Prisma seiner Gefühle betrachtet. Es betont die romantische Idee, dass künstlerische Schöpfung oft inmitten von Leid und Schmerz entsteht.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Abschied von Gastein“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Franz Grillparzer. 1791 wurde Grillparzer in Wien geboren. Im Jahr 1818 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Stuttgart. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Biedermeier oder Realismus zugeordnet werden. Der Schriftsteller Grillparzer ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 270 Worte. Die Gedichte „Entsagung“, „Vorzeichen“ und „Werbung“ sind weitere Werke des Autors Franz Grillparzer. Zum Autor des Gedichtes „Abschied von Gastein“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 300 Gedichte vor.

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