Der Nachtigallenwinkel von Heinrich Seidel

Im fernsten Winkel jenes schönen Parks,
Wo gern am Nachmittag ich sinnend wandle,
Weiss eine grüne Wildniss ich. Gar lieblich
Erscheint sie mir, und auch der Nachtigall
Gefällt sie wohl. Dort singt und jauchzt und jubelt
Es rings von jedem Baum. Zuviel erscheint es fast
Dort ging ich jüngst am stillen Maienabend
Und sog den Duft des Grünen, labte mich
Am Nachtigallgesang.
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Ein seltener Anblick
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Ward plötzlich mir. Dort auf gefälltem Stamm
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Versteckt im Grünen- abseits war's vom Weg
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Sass still ein Greis und ruhte sich vom Gang.
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Die achtzig ,Jahre, die er trug, sie hatten
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Den Nacken ihm gebeugt, gefärbt mit Silber
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Das schlichte Haar. Er stützte seine Hände
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Gefaltet auf den Stock. Das Ohr geneigt,
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So lauschte er den süssen Melodieen,
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Und auf dem furchenreichen Antlitz lag es
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Wie leise Wehmuth. - Er dachte wohl
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Der schönen Frühlingstage seiner Jugend.
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Vorüber ging ich still. - Er sah mich nicht,
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Denn seine Blicke weilten in der Ferne
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Im goldnen Reiche der Erinnerung.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Der Nachtigallenwinkel“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
163
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Nachtigallenwinkel“ wurde von dem deutschen Dichter und Ingenieur Heinrich Seidel verfasst, der von 1842 bis 1906 lebte. Somit lässt sich das Gedicht zeitlich der Epoche des Realismus zuordnen.

Auf den ersten Eindruck erzeugt das Gedicht eine stimmungsvolle und idyllische Atmosphäre. Es nimmt den Leser mit auf einen Spaziergang durch einen Park, der durch das prachtvolle Vogelgezwitscher belebt wird. Dabei stand im Mittelpunkt nicht nur die physische, sondern auch eine tiefgreifende emotionale Reise.

Inhaltlich handelt das Gedicht von einem Ausflug des lyrischen Ichs in einen abgelegenen Teil eines Parks. Dort beobachtet es eine Nachtigall, die in der Wildnis singt. Später trifft es auf einen alten Mann, der sich von seinem Spaziergang ausruht und dem Gesang der Vögel lauscht. Der Anblick des Mannes, der in seinem Alter von der Musik der Vögel und seinen eigenen Gedanken tief bewegt zu sein scheint, löst beim lyrischen Ich eine Art von Wehmut aus. Diese Wehmut resultiert möglicherweise aus der Erkenntnis der Vergänglichkeit des Lebens und der Kostbarkeit der Jugend, die der alte Mann vermutlich vermisst.

Formal besteht das Gedicht aus 24 Versen, die in einer einzigen Strophe angeordnet sind. Das Gedicht hat keinen durchgängigen Reim, lockt jedoch durch eine malerische und detaillierte Beschreibung, die eine lebhafte Szenerie entstehen lässt. Die Sprache ist eher formell und poetisch, was zur Romantisierung der Beobachtungen des lyrischen Ichs beiträgt.

Zusammengefasst beschreibt „Der Nachtigallenwinkel“ eine berührende Begegnung zwischen Mensch und Natur und stellt gleichzeitig den Kontrast zwischen Jugend und Alter dar. Die detailreiche Beschreibung und fließende Sprache von Seidel verdeutlichen seine Fähigkeit, einfache Momente mit tieferer Bedeutung zu bereichern.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Nachtigallenwinkel“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Seidel. 1842 wurde Seidel in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Zwischen den Jahren 1858 und 1906 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 163 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit nur einer Strophe. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Seidel sind „Meine Puppe kriegst du nicht!“, „Hänschen auf der Jagd“ und „Die Gaben“. Zum Autor des Gedichtes „Der Nachtigallenwinkel“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 216 Gedichte vor.

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