Der Zeisig von Heinrich Seidel

War einmal ein winz'ges Ding,
So ein kleines Zitscherling,
Sass vergnügt auf seinem Aste,
Sang sein Lied wie es ihm passte.
Sprach die Amsel aus dem Wipfel:
"Ei, du dummer kleiner Zipfel!
Wer nicht besser singen kann,
Der fang' lieber gar nicht an!"
Jener liess sich nicht bethören,
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Sprach: "Es braucht nicht zuzuhören,
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Wem mein Liedchen nicht gefällt ...
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Gross genug ist diese Welt!
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Darum lass' mich doch in Frieden!
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Mir hat Gott nicht mehr beschieden,
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und ich singe früh und spät
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So wie mir der Schnabel steht,
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Weil ich lustig bin und heiter ...
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Wer's nicht hören mag, geh' weiter!"
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.1 KB)

Details zum Gedicht „Der Zeisig“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
99
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Zeisig“ wurde von Heinrich Seidel verfasst, einem deutschen Ingenieur und Schriftsteller, der vom 25. Juni 1842 bis zum 7. November 1906 lebte. Es lässt sich demnach in das 19. Jahrhundert, genauer die Epoche des Realismus, einordnen.

Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht einen fröhlichen und unbekümmerten Eindruck. Die leichte und beschwingte Atmosphäre, die es erzeugt, scheint eine Ermutigung zu Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit zu sein.

Inhaltlich handelt das Gedicht von einem kleinen Vogel, der „Zitscherling“ bzw. „Zipfel“ genannt wird, und der zufrieden und ungehindert sein Lied auf seinem Ast singt. Eine Amsel, die sich über den Gesang des kleinen Vogels lustig macht und ihn dazu auffordert, es besser sein zu lassen, wenn er nicht besser singen kann, konfrontiert den Zitscherling. Der kleine Vogel jedoch lässt sich nicht beeinflussen und beharrt darauf, weiterhin sein Lied zu singen, so wie es ihm gefällt und wie er es kann. Er behauptet, dass diejenigen, die sein Lied nicht mögen, einfach weitergehen können.

Dieser Inhalt, insbesondere der selbstbewusste und unablässige Gesang des kleinen Vogels, scheint zu betonen, dass jeder Mensch das Recht hat, sich auf seine eigene Weise auszudrücken, und dass dieses Recht unabhängig von Kritik oder Spott von Außenstehenden zu wahren ist.

Vom formalen und sprachlichen Standpunkt aus erzeugt das Gedicht einen ziemlich einfachen und unprätentiösen Eindruck. Mit 18 Versen, die in freie Rhythmen geordnet sind, verzichtet es auf eine strenge metrische Struktur. Die Sprache ist ebenfalls recht einfach und direkt, was das Verständnis des Gedichts erleichtert und zur Zugänglichkeit und universellen Natur seiner Botschaft beiträgt.

Insgesamt ist „Der Zeisig“ ein Ausdruck von Unerschütterlichkeit und Individualität, ein Bekenntnis zur Freude und dem Recht jedes Einzelnen, sein eigenes, einzigartiges „Lied“ zu singen, unabhängig von der Meinung oder Beurteilung anderer. Es lädt dazu ein, mutig und stolz sich selbst zu sein, und weist darauf hin, dass die Welt groß genug ist für eine Vielfalt von Stimmen und Ausdrucksformen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Zeisig“ des Autors Heinrich Seidel. Seidel wurde im Jahr 1842 in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Im Zeitraum zwischen 1858 und 1906 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das vorliegende Gedicht umfasst 99 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 18 Versen. Die Gedichte „Hänschen auf der Jagd“, „Die Gaben“ und „Der Luftballon“ sind weitere Werke des Autors Heinrich Seidel. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Zeisig“ weitere 216 Gedichte vor.

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