Wilde Rosen von Heinrich Seidel

Ich ging im Wald in schönen Junitagen,
Da sah ich einen Birnbaum vor mir ragen
Mit seinen Zweigen stolz und dunkelgrün.
Doch, welch' ein Wunder! Nahe seinem Gipfel
Aus seinem Laub, dicht unter seinem Wipfel,
Da sah ich hundert wilde Rosen blühn.
 
Ich trat hinzu, das Räthsel zu ergründen,
Und seltsam ist es, was ich muss verkünden
Und was ich dort nach langem Suchen fand:
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Aus Dorngestrüpp kam eine lange Ruthe,
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Die hin und her mit ungebeugtem Muthe
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Sich durch des Baumes Aeste aufwärts wand.
 
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Und war es auch in Finsterniss geboren
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Das kleine Reis hat nicht den Muth verloren,
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Es strebet tapfer auf zum goldnen Licht,
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Es tastet sich empor mit grünem Finger
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Und dreht und wendet sich in seinem Zwinger
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Und sucht und harrt und hofft und zaget nicht.
 
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O gebe Gott doch Allen die da streben,
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Sich aus der Finsterniss an's Licht zu lieben,
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Ein gut Gedeihn für redliches Bemühn,
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Und Muth und Kraft und freudiges Vertrauen,
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Damit auch sie des Sieges Stunde schauen,
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Damit auch ihre Rosen endlich blühn!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.7 KB)

Details zum Gedicht „Wilde Rosen“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
173
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das analysierte Gedicht ist „Wilde Rosen“ vom Autor Heinrich Seidel, der im späten 19. Jahrhundert lebte und im frühen 20. Jahrhundert starb. Sein Werk kann damit der Epoche des Realismus zugeordnet werden.

Auf den ersten Blick handelt es sich um ein naturbezogenes Gedicht, in dem eine unerwartete Blüte inmitten eines Birnbaumes im Fokus steht. Detaillierte Beschreibungen der Umgebung und der Handlungen des lyrischen Ichs tauchen den Leser in die Atmosphäre des Gedichts.

Das lyrische Ich beschreibt einen Spaziergang im Wald, bei welchem es einen Birnbaum entdeckt, der trotz seiner Höhe und Stärke, einen unerwarteten Schatz birgt – wilde Rosen, die inmitten seiner Blätter blühen. In der weiteren Analyse entdeckt das lyrische Ich, dass der Rosenstrauch aus einem dichten Dornengestrüpp am Boden nur aufgrund seiner unerbittlichen Anstrengung seinen Weg hinausgefunden hat und nun an der Sonne blüht.

Inhaltlich ist dieses Gedicht also eine Anerkennung der Bemühungen und Ausdauer der wilden Rosen, welche trotz widriger Umstände um Aufstieg und Blüte kämpfen. Der Autor benutzt die ungewöhnliche Begebenheit als Metapher und Ausdruck von Optimismus und Hoffnung, was auch die Aussage der letzten Verse erklärt. Er wünscht sich, dass Menschen, die in der Dunkelheit, also schwierigen Umständen, sind, ebenso wie die Rosen den Mut haben, den Weg ins Licht, also zu Verbesserungen und Erfolg, zu finden.

Die äußere Form des Gedichts besteht aus vier Strophen, jeweils mit sechs Versen. Die Form ist somit klassisch und stringent. Die Sprache ist formal und poetisch mit einer eher schwierigen Wortwahl. Die Metaphorik des Gedichts sowie der konsequente Wechsel von Jambus und Trochäus, die Spannung und Dynamik verleihen, machen „Wilde Rosen“ zu einem Lehrstück lyrischer Poesie. Sie erwecken das Gedicht zum Leben und lassen die Kernaussage des Autors leuchtend hervortreten.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Wilde Rosen“ ist Heinrich Seidel. Der Autor Heinrich Seidel wurde 1842 in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Im Zeitraum zwischen 1858 und 1906 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 173 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Der Dichter Heinrich Seidel ist auch der Autor für Gedichte wie „Arbeit ist das Zauberwort“, „Die schönen Bäume“ und „Meine Puppe kriegst du nicht!“. Zum Autor des Gedichtes „Wilde Rosen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 216 Gedichte veröffentlicht.

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