Der Traum des Hirtenknaben von Heinrich Seidel

Draussen an des Waldes Saum
Steht ein tausendjähr'ger Baum,
Eine mächt'ge Rieseneiche.
 
Dort - gestreckt in's Moos, das weiche
Liegt ein Knabe tief im Traum.
 
Und er träumt von Glück und Macht,
Goldesglanz und Königspracht,
während auf dem grünen Rasen
Seine Schafe friedlich grasen,
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Vom getreuen Hund bewacht.
 
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Alles beugt sich seinem Stern,
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Bürger, Priester, grosse Herrn,
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Und von Liebesmacht bezwungen
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Schenkt ihr Herz dem schönen Jungen
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Selbst die Königstochter gern.
 
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Aufwärts geht es schnell und leicht,
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Jedes Hinderniss entweicht.
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Sieh es schwebt die Königskrone
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Ueber'm Haupt dem Hirtensohne,
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Und das Höchste ist erreicht.
 
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Um so tiefer ist der Fall,
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Weckt ihn Abendglockenschall.
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Statt Fasanen giebt es Grütze,
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Seine Krone ist 'ne Mütze,
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Und sein Schloss ein Hammelstall.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Der Traum des Hirtenknaben“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
25
Anzahl Wörter
118
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Traum des Hirtenknaben“ wurde von Heinrich Seidel verfasst, der von 1842 bis 1906 lebte. Somit lässt es sich zeitlich der Epoche des Spätrealismus zuordnen. Variierenden Rhythmen und Ironie sind häufig Vorkommende Aspekte dieser Epoche.

Auf den ersten Eindruck beschreibt das Gedicht einen idyllischen, traumhaften Moment eines Hirtenjungen. Der Autor bringt die romantisierte Vorstellung der ländlichen Ruhe und Einfachheit zum Ausdruck. Man spürt eine stille Zeit, an der der Junge in totaler Harmonie mit seiner Umgebung liegt und träumt.

Der Inhalt des Gedichtes handelt von einem Hirtenjungen, der unter eine mächtige Eiche schläft und von einem märchenhaften Aufstieg voller Macht, Reichtum und Liebe träumt. In seinen Träumen sieht er sich als König und verändert seine Situation von bescheidener Anonymität und Einfachheit zu großem Ansehen und Einfluss. Jedoch erwacht der Knabe aus seinem Traum und kehrt zur Realität zurück, die stark von seinen Träumen abweicht.

Durch dieses Gedicht möchte das lyrische Ich uns die Kraft der Träume und ihre Auswirkungen auf unser tägliches Leben hervorheben. Seidel zeigt, wie Träume uns für kurze Zeit aus unserem Alltag entführen können, gibt uns aber auch durch das abrupte Erwachen des Jungen eine Erinnerung an die Realität.

Hinsichtlich der Form des Gedichtes besteht es aus sechs Strophen mit einer variierenden Anzahl an Versen. Die Länge der Strophen variiert zwischen zwei und fünf Versen. Dies erzeugt einen Rhythmuswechsel im Gedicht, der den traumhaften Zustand des Jungen widerspiegelt.

Die Sprache des Gedichts ist klar, visualisiert und metaphorisch. Seidel benutzt bildhafte Sprache, um den Leser in die Traumwelt des Jungen einzuführen. Unerwarteterweise endet er das Gedicht jedoch mit einer ironischen Wendung, um den Leser abrupt in die Realität zurückzubringen, was das spannungsvolle Verhältnis zwischen Traum und Wirklichkeit in einer humorvollen Weise darstellt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Traum des Hirtenknaben“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Seidel. Seidel wurde im Jahr 1842 in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1858 bis 1906 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 25 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 118 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Seidel sind „Meine Puppe kriegst du nicht!“, „Hänschen auf der Jagd“ und „Die Gaben“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Traum des Hirtenknaben“ weitere 216 Gedichte vor.

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