Verzagtheit von Carl Busse

Mir ist das Herz der Welt erschlossen,
Doch keinem rätselt sie wie mir.
Ich hab' millionenfach Genossen
Und bin verlass'ner als das Tier.
 
Ich bin ein Frager und Gefragter,
Ich spiel' den Diener, spiel' den Herrn
Ich bin so oft ein tief Verzagter
Und gläubig doch im tiefsten Kern.
 
Ich bin Gerichteter und Richter,
10 
Ich weiß nicht, wer ich alles bin,
11 
Ein Kind, ein Greis, ein Narr, ein Dichter
12 
Wer hat mich lieb? Wer nimmt mich hin?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.8 KB)

Details zum Gedicht „Verzagtheit“

Autor
Carl Busse
Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
77
Entstehungsjahr
1872 - 1918
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor des vorliegenden Gedichts ist Carl Busse, ein deutscher Dichter, der in der Zeit der Jahrhundertwende vom 19. auf das 20. Jahrhundert lebte und wirkte.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht in seinen Aussagen widersprüchlich und scheint eine innere Zerrissenheit und Suche nach Identität und Zugehörigkeit des lyrischen Ichs zu reflektieren.

Das lyrische Ich scheint sich in einer existentiellen Krise der Selbst- und Weltwahrnehmung zu befinden. Es fühlt sich zwar verbunden mit der Welt („Mir ist das Herz der Welt erschlossen“), findet aber keinen Sinn darin oder fühlt sich von ihr nicht verstanden („Doch keinem rätselt sie wie mir“). Es hat zwar viel im Leben erfahren und erlebt („Ich hab' millionenfach Genossen“), fühlt sich aber zugleich ungemein einsam und verlassen („Und bin verlass'ner als das Tier“).

In den weiteren Strophen führt das lyrische Ich diesen Gedanken fort und benennt verschiedene Rollen und Zustände, in denen es sich wiederfindet („Ich bin ein Frager und Gefragter“, „Ich bin Gerichteter und Richter“, „Ein Kind, ein Greis, ein Narr, ein Dichter“), ohne dass es hieraus eine klare Identität ableiten könnte („Ich weiß nicht, wer ich alles bin“). Trotz all der Verzweiflung („Ich bin so oft ein tief Verzagter“) bleibt es aber glaubensstark („Und gläubig doch im tiefsten Kern“). Am Ende steht die Frage nach Liebe und Annahme („Wer hat mich lieb? Wer nimmt mich hin?“).

Das Gedicht präsentiert sich in einer klaren, regelmäßigen Form aus drei Vierzeilern. Die Sprache ist unkompliziert und direkt, die Aussagen wirken jedoch durch die Vielzahl an gegensätzlichen Identifikationen komplex und widersprüchlich. Die häufige Verwendung des Personalpronomens „Ich“ im Kontrast zu den vielen unspezifischen Rollenbeschreibungen unterstreicht die innere Zerrissenheit und die Suche des lyrischen Ichs nach seiner Identität und Zugehörigkeit. Die Spannung zwischen den vielen erlebten und ausgefüllten Rollen und der tief empfundenen Einsamkeit verleiht dem Gedicht seine emotional aufgeladene Stimmung.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Verzagtheit“ von Carl Busse. 1872 wurde Busse in Gummersbach geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1888 und 1918. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus oder Avantgarde / Dadaismus zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 77 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 12 Versen. Weitere Werke des Dichters Carl Busse sind „Deutsche Weihnacht 1914“, „Der Sternseher“ und „Meeresleuchten“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Verzagtheit“ weitere 24 Gedichte vor.

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