Aus der Vogelkunde von Joachim Ringelnatz

Ich spreche von Flugmaschinen.
Sie summen lauter als Bienen
Und sind eine Kreuzung von Taube,
Ente, Maikäfer und Schiffsschraube.
 
Sie nisten einzeln, paar- und gruppen-
Weise in Hallen und Schuppen.
 
Ich habe persönlich festgestellt:
Sie bringen lebendige Junge zur Welt,
Die wie Menschen aussehn,
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Wenn sie aus ihnen herausgehn.
 
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Auch legen sie Eier und brüten
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Im Krieg. Zeus möge das künftig verhüten.
 
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Ihre Nahrung sind Menschen, Koffer, Benzin
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Und Zeitungen aus Berlin.
 
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Sie sind über die ganze Welt
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Verbreitet und sehr zahm auch in Freiheit.
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Außerdem sind sie der Polizeiheit
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Und der Zollbehördlichkeit unterstellt.
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Volkstümlich nennt man sie schlechthin Maschinen.
 
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Ich könnte Ihnen mit Näherem dienen,
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Aber ich verlange dafür
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Eine Flugzeugengebühr.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Aus der Vogelkunde“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
22
Anzahl Wörter
112
Entstehungsjahr
1929
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht stammt von Joachim Ringelnatz, der zwischen 1883 und 1934 lebte. Somit kann das Gedicht zeitlich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts eingeordnet werden, einer Zeit in welcher technologische Erfindungen, insbesondere Flugmaschinen, rasant voranschritten.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht humorvoll und skurril, da Ringelnatz Flugmaschinen mit lebendigen Wesen vergleicht und sie als eigenständige Tiere innerhalb der „Vogelkunde“ darstellt.

Inhaltlich setzt sich das lyrische Ich auf ironische Weise mit der Technologie von Flugmaschinen und ihrer Rolle in der Gesellschaft auseinander. Es werden Flugmaschinen als laute, komplexe Konstruktionen dargestellt, die in Hallen und Schuppen „nisten“. Sie „bringen lebendige Junge zur Welt“, die wie Menschen aussehen – eine Anspielung auf die Passagiere, die aus den Flugzeugen aussteigen. In den weiteren Strophen wird auch auf den kriegerischen Einsatz von Flugmaschinen angespielt und die Tatsache, dass sie „Menschen, Koffer, Benzin und Zeitungen aus Berlin“ „fressen“ als Metapher für ihren Verbrauch an Ressourcen und ihren Transportzweck. Schließlich wird ironisch auf die Regulierung durch Polizei und Zollbehörden hingewiesen und die Forderung nach einer „Flugzeugengebühr“ für weitere Informationen eingeführt.

Formal besteht das Gedicht aus sieben Strophen mit unterschiedlicher Versanzahl, was zum lockeren und unterhaltsamen Charakter des Gedichts beiträgt. Sprachlich zeichnet sich das Gedicht durch humorvolle und bildhafte Darstellungen aus, die die Technologie der Flugmaschinen auf absurde Weise beleuchten. Zusätzlich nutzt Ringelnatz Reime und Rhythmus, um es eingängig zu machen.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Ringelnatz in „Aus der Vogelkunde“ auf humorvolle Weise die Technologie des Fliegens kommentiert und dabei auch kritische Noten wie den Ressourcenverbrauch und den militärischen Einsatz anklingen lässt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Aus der Vogelkunde“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. 1929 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 22 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 112 Worte. Der Dichter Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abendgebet einer erkälteten Negerin“, „Abermals in Zwickau“ und „Abgesehen von der Profitlüge“. Zum Autor des Gedichtes „Aus der Vogelkunde“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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