Gefangen von Julius Wolff

Ein Mägdlein hat sich hingetan
Im tiefen Wald alleine,
Da hört sie ruhend Schritte nahn,
Es rascheln Laub und Steine.
Und schau! der junge Jägersmann,
Den gar so gut sie leiden kann,
Kommt durch des Waldes Mitten
Grad' auf sie zugeschritten.
 
Sie denkt: nur schnell die Augen zu!
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Schalkhaft, wie sie gesinnet,
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Und angestellt, als schliefest du!
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Was er dann wohl beginnet?
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Sie blinzelt durch die Wimpern dicht,
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Er kommt! er kommt! nun rühr' dich nicht!
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Sie liegt wie hingegossen,
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Von Schlummer fest umschlossen.
 
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Der Jäger, was er unterm Baum
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Sieht unverhoffter Weise,
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Traut seinen eignen Augen kaum,
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Schleicht näher doch ganz leise,
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Daß unterm Fuß kein Ästlein kracht
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Und nicht die holde Maid erwacht.
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Doch die scheint traumumdämmert,
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Derweil ihr Herzchen hämmert.
 
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Wie Füchslein vor dem Eisen gar
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Steht er und starrt und stocket,
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Indes ihr rotes Lippenpaar
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Ihn recht als Köder locket.
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Wenn ich nur wüßt', denkt er dazu,
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Daß sie nicht aufwacht, wenn ich's tu'!
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Am Ende wird sie böse,
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Wenn ich vom Schlaf sie löse.
 
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Das Mündlein ist ein Erdbeer rot,
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So beut sich's ihm nie wieder,
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Und sacht in süßer Herzensnot
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Bückt er zum Kuß sich nieder.
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Schnapp! schlagen da zwei Arme zu
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Rund um den Hals ihm, und im Nu
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Sitzt in den weichen Zangen
40 
Jung Jägersmann gefangen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Gefangen“

Autor
Julius Wolff
Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
214
Entstehungsjahr
1834 - 1910
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht heißt „Gefangen“ und stammt von Julius Wolff, einem deutschen Schriftsteller der Romantik, der von 1834 bis 1910 lebte.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt die humorvolle und leichte Erzählweise auf, die gespickt ist mit Bildern aus Natur und Folklore. Es scheint ein munteres Spiel zwischen zwei Menschen zu beschreiben, das von Flirt und Romantik geprägt ist.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um ein Mädchen, das sich in einem Wald ausruht und dabei den Jäger, den es mag, näher kommen hört. Sie stellt sich schlafend, um zu sehen, was er tun wird. Der Jäger, der von ihren roten Lippen angelockt wird, nähert sich vorsichtig, um sie nicht zu wecken. Schließlich kann er nicht widerstehen und beugt sich herab, um sie zu küssen, woraufhin sie ihn überraschend in ihre Arme schließt und so „gefangen“ hält.

Das lyrische Ich, mutmaßlich das Mädchen selbst, scheint diese Szene aus der ersten Person zu erzählen und offenbart dabei seine Gedanken und Gefühle. Es zeigt sich als schelmisch und spielerisch, um sich dem Jäger auf unerwartete Weise zu offenbaren.

In der formalen Analyse wird deutlich, dass das Gedicht in fünf gleich strukturierten Strophen zu je acht Versen verfasst ist. Diese Form gibt dem Geschehen einen gleichmäßigen und ruhigen Rhythmus. Die Sprache ist einfach und klar, mit bildhaften Beschreibungen, die die Szene im Wald und das Spiel zwischen Mädchen und Jäger lebhaft darstellen. Durch die Verwendung von Vergleichen (wie etwa das der roten Lippen, die wie ein Köder locken) und Metaphern (etwa das Fangen des Jägers) wird das Gedicht lebendig und anschaulich.

Insgesamt handelt es sich um ein humorvolles und charmantes Gedicht, das ein spielerisch-romantisches Szenario zwischen zwei Menschen mit Hilfe bildhafter Sprache und formaler Klarheit zum Ausdruck bringt. Es reflektiert dabei das traditionelle Rollenspiel zwischen Mann und Frau, wobei das Mädchen durch ihre List letztlich die Kontrolle übernimmt und den Jäger „gefangen“ nimmt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Gefangen“ des Autors Julius Wolff. Wolff wurde im Jahr 1834 in Quedlinburg geboren. In der Zeit von 1850 bis 1910 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne oder Expressionismus zu. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das 214 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Die Gedichte „Drei Rosen“ sind weitere Werke des Autors Julius Wolff. Zum Autor des Gedichtes „Gefangen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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