Die Ulme zu Hirsau von Ludwig Uhland

Zu Hirsau in den Trümmern,
Da wiegt ein Ulmenbaum
Frischgrünend seine Krone
Hoch überm Giebelsaum.
 
Er wurzelt tief im Grunde
Vom alten Klosterbau,
Er wölbt sich statt des Daches
Hinaus in Himmelblau.
 
Weil des Gemäuers Enge
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Ihm Luft und Sonne nahm,
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So trieb's ihn hoch und höher,
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Bis er zum Lichte kam.
 
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Es ragen die vier Wände,
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Als ob sie nur bestimmt,
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Den kühnen Wuchs zu schirmen,
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Der zu den Wolken klimmt.
 
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Wenn dort im grünen Tale
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Ich einsam mich erging,
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Die Ulme war's, die hehre,
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Woran mein Sinnen hing.
 
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Wenn in dem dumpfen stummen
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Getrümmer ich gelauscht,
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Da hat ihr reger Wipfel
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Im Windesflug gerauscht.
 
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Ich sah ihn oft erglühen
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Im ersten Morgenstrahl,
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Ich sah ihn noch erleuchtet,
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Wann schattig rings das Tal.
 
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Zu Wittenberg im Kloster
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Wuchs auch ein solcher Strauß
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Und brach mit Riesenästen
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Zum Klausendach hinaus.
 
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Oh Strahl des Lichts, du dringest
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Hinab in jede Gruft;
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Oh Geist der Welt, du ringest
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Hinauf in Licht und Luft.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „Die Ulme zu Hirsau“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
161
Entstehungsjahr
1787 - 1862
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Ulme zu Hirsau“ wurde von Ludwig Uhland verfasst, einem bedeutenden deutschen Dichter der Romantik, der von 1787 bis 1862 lebte.

Auf den ersten Blick handelt das Gedicht von einer Ulme, die in den Ruinen eines alten Klosters in Hirsau wächst. Der Leser erfährt, wie der Baum aus den Trümmern hervorragt, in den Himmel wächst und sich gegen die Einschränkungen des Gemäuers behauptet, um Licht und Luft zu erreichen. Das lyrische Ich beobachtet den Baum und seine Veränderungen durch die Zeit.

Auf einer tieferen Ebene kann das Gedicht als metaphorische Darstellung des menschlichen Strebens nach Wachstum und Freiheit verstanden werden. Die Worte „Wenn dort im grünen Tale ich einsam mich erging, die Ulme war's, die hehre, woran mein Sinnen hing.“ täuschen darauf hin, dass das lyrische Ich den Baum als Symbol für eigenen Lebensziele oder -träume sieht. Der Baum steht auch als Metapher für Standhaftigkeit und Ausdauer, die nötig sind, um Schwierigkeiten zu überwinden und Wachstum zu ermöglichen.

In Bezug auf Form und Sprache ist „Die Ulme zu Hirsau“ ein dreizeiliges Gedicht aufgebaut aus neun Strophen. Es besteht aus kurzen, prägnanten Versen, die Uhlands klaren und eindringlichen Stil widerspiegeln. Die lyrische Sprache ist deutlich und leicht verständlich, was dazu beiträgt, dass der Leser sich bildlich in die Szenerie versetzen kann. Die poetischen Bilder, die Uhland schafft, wie das der Ulme, die aus den Ruinen des Klosters hervorsteigt, sind kraftvoll und symbolisch.

Zu Wittenberg im Kloster wuchs auch ein solcher Strauß: Hier macht der Dichter einen kleinen Exkurs, um darauf hinzuweisen, dass das Phänomen weit verbreitet ist und sich auf andere Orte erstreckt. Auch hier wird der Kampf ums Licht, symbolisch für das Wissen und die Erkenntnis, verdeutlicht.

Die letzte Strophe des Gedichts endet mit einer Ode an das Licht und den „Geist der Welt“, was wahrscheinlich metaphorisch für den menschlichen Geist und das Streben nach Wahrheit und Erkenntnis steht. Es schließt somit das Gedicht auf eine hoffnungsvolle und optimistische Note, die die Unbeugsamkeit und Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes feiert.

Weitere Informationen

Ludwig Uhland ist der Autor des Gedichtes „Die Ulme zu Hirsau“. 1787 wurde Uhland in Tübingen geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1803 bis 1862 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Uhland ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der Romantik vorausgegangen waren die Epochen der Weimarer Klassik und der Aufklärung. Die Literaturepoche der Romantik ist zeitlich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einzuordnen. Besonders auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik hatte diese Epoche Auswirkungen. Die Literatur der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die damalige Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Schriftstellern der Romantik zuwider. Sie stellten sich in ihren Werken gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. Bedeutende Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Andere Motive sind das Fernweh, die Todessehnsucht oder das Nachtmotiv. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Geheimnisvolle, Mysteriöse und galt als Quelle der Liebe. Typische Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Kunst und Architektur des Mittelalters wurden von den Romantikern wieder geschätzt. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über den Inhalt als auch über die Form des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die starren Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das vorliegende Gedicht umfasst 161 Wörter. Es baut sich aus 9 Strophen auf und besteht aus 36 Versen. Der Dichter Ludwig Uhland ist auch der Autor für Gedichte wie „Der König auf dem Thurme“, „Des Sängers Fluch“ und „Die Kapelle“. Zum Autor des Gedichtes „Die Ulme zu Hirsau“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 57 Gedichte vor.

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