Auftakt von Kurt Tucholsky

Thalia stürzt sich in die Winterrobe
und macht sich bis zum Rückenwirbel bloß …
Ab wirft sie ihren Schmoddergown – ick jloobe,
jetzt geht es los.
 
Das Winterfieber packt die kleinsten Schmieren,
der Mime schwärzt den alten Schappohklapp,
der Direktöhr läßt das Theater renovieren
und staubt die Hypotheken ab.
 
Der Spielplan steigt: man wird Modernes geben,
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Bongs Klassiker, Band Eins bis Hundertzehn,
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und Ibsen, Shakespeare und Herrn Schönherrleben –
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ihr werdets sehn!
 
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Man ist erregt bis in die tiefsten Tiefen –
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selbst nachts brennt Licht im Direktionsbureau.
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Schon hört man unsern Holzbock interwiefen …
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Rideau!
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Rideau!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Auftakt“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
17
Anzahl Wörter
91
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Auftakt“ wurde von Kurt Tucholsky verfasst, einem bedeutenden Schriftsteller und Journalisten der Weimarer Republik, der von 1890 bis 1935 lebte. Es ist davon auszugehen, dass das Gedicht in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden ist.

Beim ersten Durchlesen des Gedichts fällt auf, dass es sehr bildhaft und lebendig gekennzeichnet ist. Es gibt Einblicke in eine Art Theaterwelt, die mit all ihrer Faszination, ihrem Chaos und ihrer Kreativität dargestellt wird.

Inhaltlich handelt das Gedicht von der Vorbereitung eines Theaters auf eine neue Spielzeit im Winter. Im ersten Teil des Gedichts geht es darum, dass sich die Schauspielerin Thalia, welche die Muse der komischen Dichtung und eine der neun Musen in der griechischen Mythologie ist, auf ihre Rolle vorbereitet. Das zweite Strophenpaar beschreibt die allgemeinen Vorbereitungen am Theater für die kommende Saison, einschließlich der Renovierungsarbeiten und finanziellen Angelegenheiten. Die dritte Strophe befasst sich mit der Planung des Spielplans, einschließlich der Auswahl der Stücke verschiedener Autoren. Der letzte Teil lässt die Erwartung und Aufregung vor dem Eröffnungsabend spüren, der mit dem französischen Begriff „Rideau!“ (Vorhang!) endet.

Die Sprache des Gedichts ist lebendig, farbenfroh und teilweise umgangssprachlich, was den dynamischen und volksnahen Charakter des Theaters unterstreicht. Die Form ist sehr regelmäßig und strukturiert. Jede Strophe hat vier Zeilen, mit Ausnahme der letzten, die fünf Zeilen hat. Das Gedicht scheint kein festes Reimschema zu haben und ermöglicht so eine freie Interpretation.

In Bezug auf die Aussage des lyrischen Ichs lässt sich vermuten, dass der Autor die künstlerische Energie und Hingabe der beteiligten Akteure sowie die Bedeutung des Theaters als Ort der Kultur und des gesellschaftlichen Austausches hervorheben möchte. Durch seine Sprache und Bildwahl vermittelt er authentisch das Gefühl von Aufregung und Erwartung, welche die Vorbereitung einer neuen Theateraufführung begleiten.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Auftakt“ des Autors Kurt Tucholsky. 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1919. Charlottenburg ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zuordnen. Der Schriftsteller Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Republik hatten erheblichen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik. Neue Sachlichkeit ist eine Richtung der Literatur der Weimarer Republik. In den Werken dieser Zeit ist die zwischen den Weltkriegen hervortretende Tendenz zu illusionslos-nüchterner Darstellung von Gesellschaft, Technik, Weltwirtschaftskrise aber auch Erotik deutlich erkennbar. Man kann dies auch als Reaktion auf den literarischen Expressionismus werten. Die Handlung wurde meist nur kühl und distanziert beobachtet. Die Dichter orientierten sich dabei an der Realität. Mit einem Minimum an Sprache wollte man ein Maximum an Bedeutung erreichen. Mit den Texten sollten so viele Menschen wie möglich erreicht werden. Deshalb wurde darauf geachtet eine nüchterne sowie einfache Alltagssprache zu verwenden. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die zum Beispiel in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz setze den Schriftstellern dieser Zeit noch mal verstärkt Grenzen. 1931 trat die Pressenotverordnung in Kraft, dadurch waren die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate hinweg möglich geworden.

Zur Zeit des Nationalsozialismus mussten viele Autoren ins Ausland fliehen. Dort entstand die sogenannte Exilliteratur. Ausgangspunkt der Exilbewegung ist der Tag der Bücherverbrennung am 30. Mai 1933 im nationalsozialistischen Deutschland. Alle nicht-arischen Werke wurden verboten und symbolträchtig verbrannt. In Folge dessen flohen zahlreiche Schriftsteller aus Deutschland. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Die Exilliteratur lässt sich insbesondere an den thematischen Schwerpunkten wie Sehnsucht nach der Heimat, Widerstand gegen Nazi-Deutschland oder Aufklärung über den Nationalsozialismus ausmachen. Spezielle formale Merkmale weist die Exilliteratur nicht auf. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Realismus und Expressionismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das vorliegende Gedicht umfasst 91 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 17 Versen. Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „All people on board!“, „Also wat nu – ja oder ja?“ und „An Lukianos“. Zum Autor des Gedichtes „Auftakt“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 136 Gedichte vor.

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