Zäzilie von Christian Morgenstern

Das Erste, des Zäzilie beflissen,
ist dies: sie nimmt von Tisch und Stuhl die Bücher
und legt sie Stück auf Stück, wie Taschentücher,
jeweils nach bestem Wissen und Gewissen.
 
Desgleichen ordnet sie die Schreibereien,
die Hefte, Mappen, Bleis und Gänsekiele,
vor Augen nur das eine Ziel der Ziele,
dem Genius Ordnung das Gemach zu weihen.
 
Denn Sauberkeit ist nicht zwar ihre Stärke,
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doch Ordnung, Ordnung ist ihr eingeboren.
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Ein Scheuerweib ist nicht an ihr verloren.
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Dafür ist Symmetrie in ihrem Werke.
 
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II
 
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Zäzilie soll die Fenster putzen,
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sich selbst zum Gram, jedoch dem Haus zum Nutzen.
 
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Durch meine Fenster muß man, spricht die Frau,
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so durchsehn können, daß man nicht genau
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erkennen kann, ob dieser Fenster Glas
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Glas oder bloße Luft ist. Merk dir das.
 
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Zäzilie ringt mit allen Menschen-Waffen ...
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Doch Ähnlichkeit mit Luft ist nicht zu schaffen.
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Zuletzt ermannt sie sich mit einem Schrei –
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und schlägt die Fenster allesamt entzwei!
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Dann säubert sie die Rahmen von den Resten,
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und ohne Zweifel ist es so am besten.
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Sogar die Dame spricht zunächst verdutzt:
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So hat Zäzilie ja noch nie geputzt.
 
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Doch alsobald ersieht man, was geschehn,
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und sagt einstimmig: Diese Magd muß gehn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Zäzilie“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
29
Anzahl Wörter
193
Entstehungsjahr
nach 1887
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht trägt den Titel „Zäzilie“ und stammt von dem deutschen Dichter und Schriftsteller Christian Morgenstern, der von 1871 bis 1914 gelebt hat. Daher wäre dieses Werk zeitlich in das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert einzuordnen.

Beim ersten Eindruck erweckt das Gedicht eine humorvolle und leicht sarkastische Stimmung. Es handelt sich hierbei um eine ironisch-lustige Beschreibung der Person Zäzilie, die offensichtlich eine Hausangestellte oder Dienstmagd ist und deren besondere Fähigkeit in der Ordnung liegt. Diese Eigenschaft manifestiert sich insbesondere in der Tatsache, dass sie Bücher und Schreibwaren in wohlüberlegter Weise anordnet. Zäzilie legt weniger Wert auf Sauberkeit, ist aber besonders in Fragen der Symmetrie engagiert.

Ihre mühsame Bemühung, Fenster so gründlich zu reinigen, dass sie fast unsichtbar sind, scheitert jedoch. Anstatt sich dem Unvermögen zu beugen, entscheidet sie sich dafür, die Fenster mit lautem Schrei zu zerbrechen und so die verlangte „Luftähnlichkeit“ zu erreichen. Diese Handlung lässt Zäzilie zwar ursprünglich komisch wirken, führt aber letztlich zu ihrer Entlassung.

Die literarische Form des Gedichts ist in vielfältige Strophen unterteilt, mit einer unterschiedlichen Anzahl an Versen in jeder Strophe. Der Rhythmus und der Reim des Gedichts sind in der ganzen Erzählung durchgehend und treiben die Handlung voran. Die Sprache ist in einfachem und klares Deutsch gehalten, das den sarkastischen Ton und das amüsante Thema des Gedichts weiter unterstreicht. Morgenstern nutzt klare und anschauliche Bilder, um die Aktionen von Zäzilie lebendig darzustellen und den Leser zum Lachen zu bringen.

Insgesamt bietet das Gedicht „Zäzilie“ eine humorvolle und ironische Darstellung einer der kleinen Missgeschicke und Übertreibungen des Lebens, wobei es gleichzeitig eine liebevolle und nachsichtige Perspektive auf die menschliche Unvollkommenheit wirft.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Zäzilie“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Christian Morgenstern. Der Autor Christian Morgenstern wurde 1871 in München geboren. In der Zeit von 1887 bis 1914 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Zürich. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Bei dem Schriftsteller Morgenstern handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 29 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 193 Worte. Weitere Werke des Dichters Christian Morgenstern sind „Bim, Bam, Bum“, „Brief einer Klabauterfrau“ und „Brüder!“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Zäzilie“ weitere 189 Gedichte vor.

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