Zweytes Fragment von Carl Streckfuß

Boreas hatte getobt, mit ehernem Fittig gebrauset,
Daß die Erde gebebt, daß sich die Völker entsetzt,
Aber ihn hörte nicht Natur, im Schlummer erstarret,
Fester über sich zog sie nur die Decke von Eis.
Nicht der Gewalt wich sie, sie harrte des Rufes der Liebe,
Und da sendete Zevs Zephyrn den liebenden ab.
Sanft umweht’ er die Freundinn, er küßt’ ihr leise die Wange,
Lößt’ ihr das lockige Haar, rief sie mit freundlichem Laut —
Siehe, da schlug die Schöne empor zum Himmel die Blicke,
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Blickte lächelnd umher auf dem zerstörten Gefild,
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Und die Wolken verschwanden von blauer Tiefe des Aethers,
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Phöbus, in glänzender Pracht, lachte den Sterblichen neu,
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Schmiegte liebend der Flur sich an mit belebenden Strahlen,
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Glühende Liebe ergoß rings um die liebende Gluth,
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Und der neidischen Hüll’ enthüpft, die Schöne der Glieder
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Zeigend, stand Natur jugendlich kräftig empor.
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Voll von Sehnen die Brust rief sie den Lenz, den Geliebten,
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Rief den Lenz, und der May brachte den Fröhlichen her.
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Heiß umschlang er die Braut in der Liebe hoher Begeistrung,
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Krönte mit Blumen ihr Haar, schmückte die göttliche Brust,
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Hieß das Feld ergrünen, den Wald; und den schwankenden Zweigen
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Gab er Zungen, daß sie sängen das herrliche Fest.
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Was da lebte war seelig in der Geliebten Vereine,
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Liebt’ und hüpfte dahin durch das belebte Gefild.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Zweytes Fragment“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
216
Entstehungsjahr
1804
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Zweytes Fragment“ stammt vom deutschen Dichter Carl Streckfuß und wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts veröffentlicht, welches eine Phase der literarischen Epoche der Romantik ist. Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht lebhaft und bildhaft.

Das Gedicht erzählt die Geschichte des Winters, repräsentiert durch den Nordwind Boreas, der der Erde (der Natur) zusetzt aber trotz seiner gewaltigen Macht, kann er die Natur nicht wecken. Anstelle dessen sendet Zeus (hier als Oberherr über das Wettersystem gedeutet und entsprechend personifiziert) den Westwind Zephyr, der mit sanften und liebenden Bewegungen die Natur erweckt. Diese Erwachen wird als ein Prozess des Entblößens und des Auftauchens aus einem Deckmantel dargestellt. Der Frühling, symbolisiert durch den Lenz, kommt und umarmt die Natur, wobei die Szenerie von Belebung und Freude geprägt ist.

Das lyrische Ich beschreibt in personifizierten und bildhaften Darstellungen den Zyklus der Jahreszeiten, die von der Brutalität des Winters zur Erneuerung und Wiederbelebung des Frühlings führen. Durch seine Darstellung der Natur als geliebte Figur und der Wettergötter als aktive Akteure wird die Naturerfahrung emotionalisiert und erhaben dargestellt.

Auf formalen und sprachlichen Ebene zeichnet sich das Gedicht durch seinen Pathos und seine lebhaften, bildhaften Beschreibungen aus. Die Verwendung von Periphrasen und der Personifizierung der Natur und der Elemente trägt zur Dramatisierung bei. Das Gedicht besteht aus einem durchgängigen Strophensystem mit jeweils 24 Versen, es liegt ein Reimschema vor, unterstrichen von einer gehobenen Sprache. Es handelt sich um ein klassisches romantische Gedicht, welches die Harmonie und den Zyklus in der Natur widerspiegelt und intensiviert. Durch die dramatischen und emotional belegten Beschreibungen will das lyrische Ich die Kraft und Schönheit der Natur und der Jahreszyklen betonen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Zweytes Fragment“ ist Carl Streckfuß. Der Autor Carl Streckfuß wurde 1778 in Gera geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1804 entstanden. Der Erscheinungsort ist Wien. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Klassik oder Romantik zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 216 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 24 Versen. Die Gedichte „Beruf“, „Bey der Hochzeit des Hrn. Schultz“ und „Das Gastmahl des Theoderich“ sind weitere Werke des Autors Carl Streckfuß. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Zweytes Fragment“ weitere 50 Gedichte vor.

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