Zum Abschied von Rudolf Lavant
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Ihr habt über ihn das Exil verhängt, |
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Ihr Ritter von Bibel und Säbel; |
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Ihr habt an den Fuß ihn der Gletscher versprengt |
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Und in Englands stickige Nebel; |
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Doch hat er sich allzeit der Feinde erwehrt – |
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Wo immer er stand auf der Warte, |
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Es blieb ihm das scharfe, das blitzende Schwert |
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Und die flatternde rothe Standarte. |
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Ihr habt ohne Rast, ohne Ruh bis zuletzt |
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Mit der kläffenden, geifernden Meute |
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Den stolzen Verfehmten gejagt und gehetzt – |
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Wann ward er dem Kleinmuth zur Beute? |
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Ihr habt ihm die Pässe verbaut und verstellt, |
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Gelauert auf Wegen und Stegen, |
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Und schwirrende Pfeile vom Bogen geschnellt – |
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Wann ist der Verfolgte erlegen? |
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Er hat die Gebote der Wahrheit, des Rechts |
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Mit hallender Stimme verkündigt |
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Im Namen des armen, des wehrlosen Knechts, |
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An dem ihr euch dreifach versündigt; |
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Und ließt ihr auch wirbeln bei Tag und bei Nacht |
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Die Trommeln in machtlosem Grimme – |
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Wann habt ihr sie jemals zum Schweigen gebracht, |
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Die eherne, drohende Stimme? |
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Er streute den Samen trotz Bann und trotz Acht, |
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Der tief in die Seelen gesunken; |
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Er hat sie zu wehender Flamme entfacht, |
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Die scheinbar ersterbenden Funken; |
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Er hat eure prahlenden Dämme zerwühlt, |
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Daß sie barsten im Anprall der Fluthen; |
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Wann hat er die Arme erlahmen gefühlt, |
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Wann erloschen im Herzen die Gluthen? |
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Er hegte und pflegte den zartesten Keim, |
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Es durfte das Hoffen nicht kranken; |
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Er bot allen Kühnen und Freien daheim |
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Die Freistatt für trotz’ge Gedanken; |
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Er hat die mahnenden Zeichen der Zeit |
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Den Schwankenden, Bangen gedeutet, |
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Er hat die Fanfaren geblasen zum Streit |
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Und die Glocken zum Sturme geläutet. |
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Und nun er gebrochen, der lastende Bann, |
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Und der heilige Volkszorn gewettert |
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Und den gestern noch hochmuthgepanzerten Mann |
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Vom Sessel der Ehren geschmettert, – |
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Nun zum offenen Kampf, der so lange verwehrt, |
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Sie das Recht jetzt errungen sich wieder, |
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Nun legen getrost wir Standarte und Schwert |
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In die Hände der Siegreichen nieder. |
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Ihr habt unsern Händen sie anvertraut, |
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Um in finsteren, stürmischen Tagen |
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Den alten Kampfruf in trotzigem Laut |
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Weithin in die Lande zu tragen. – |
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Und was, als ihr so uns zu Kämpfern erhobt, |
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In des Fahnentuchs purpurne Falten |
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Wir einst euch mit Händedruck schweigend gelobt, – |
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Wir glauben, wir haben’s gehalten! |
Details zum Gedicht „Zum Abschied“
Rudolf Lavant
7
56
360
1893
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Zum Abschied wurde von dem deutschen Dichter Rudolf Lavant im späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert verfasst. Lavants Leben umfasste die Jahre 1844 bis 1915, und er wurde durch seine lyrische Poesie bekannt, die gekennzeichnet ist durch leidenschaftliche und politisch aufgeladene Aussagen.
Auf den ersten Blick ist das Gedicht stark in seinem Ton und inhaltlich komplex. Den Leser erwarten sieben Strophen mit jeweils acht Versen voller lebhafter Beschreibungen und starkem, rebellischem Gefühl.
In einfachen Worten ausgedrückt, erzählt das Gedicht eine Geschichte von Unterdrückung und Widerstand. Das lyrische Ich adressiert metaphorisch eine Gruppe elitärer Gegner, die „die Ritter von Bibel und Säbel“ genannt werden. Diese „Ritter“ haben jemanden in Exil geschickt, jemanden, den das lyrische Ich lobt und für den es Bewunderung aufbringt. Trotz aller Verfolgung, so das lyrische Ich, hat dieser verbannte Held niemals aufgegeben. Er hat immer für die Wahrheit und Gerechtigkeit gesprochen und diesen Funken des Widerstands in den Seelen der Menschen entzündet. Am Ende scheint es, als ob der Held und die, die seinem Aufruf gefolgt sind, triumphieren und das Symbol ihres Kampfes - das Schwert und die Standarte - in die Hände der Sieger legen.
Hinsichtlich Form und Sprache ist das Gedicht primär in Paarreimen und einem regelmäßigen Metrum geschrieben, was den Fluss der Lesung unterstützt und einen treibenden Rhythmus erzeugt. Lavant benutzt bildreiche Sprache und Metaphern - etwa das Schwert und die Standarte als Symbol für den Kampf, der eingegangene Kampf und das Erreichen des Ziels oder der Trommeln und Pfeile, die den andauernden Konflikt symbolisieren. Er gestaltet das Gedicht als Appell, ein Ansporn zur Aktion und einem starken Gefühl von Solidarität und Widerstand gegen Unterdrückung. Es ist zugleich ein Loblied auf die Standhaftigkeit und den Mut.
Weitere Informationen
Rudolf Lavant ist der Autor des Gedichtes „Zum Abschied“. Lavant wurde im Jahr 1844 in Leipzig geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1893. In Stuttgart ist der Text erschienen. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Naturalismus oder Moderne zu. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 360 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Rudolf Lavant sind „An Herrn Crispi“, „An das Jahr“ und „An den Herrn Minister Herrfurth Exzellenz“. Zum Autor des Gedichtes „Zum Abschied“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 96 Gedichte vor.
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Weitere Gedichte des Autors Rudolf Lavant (Infos zum Autor)
- Agrarisches Manifest
- An Herrn Crispi
- An das Jahr
- An den Herrn Minister Herrfurth Exzellenz
- An den Kladderadatsch
- An die Frauen
- An die alte Raketenkiste
- An unsere Feinde
- An unsere Gegner
- An la belle France.
Zum Autor Rudolf Lavant sind auf abi-pur.de 96 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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