Auf ein Soldatenbild von Kurt Tucholsky

Hoher Kragen, eingezwängt
in die Affenjacke;
der Zivilleib, angestrengt,
weicht dem Zeitgeschmacke.
Fremd und leer blickt dein Gesicht.
Du verstehst das Ganze nicht.
 
Letztes Bild und letzter Klang –
du bist weggegangen.
Und ich muß nun lebenslang
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mich nach beiden bangen.
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Um dich pflügt der Bauernpflug.
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Du bist Lehm und hast genug.
 
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Lieber, seh ich heut dich an,
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häßlich und verkleidet,
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hab ich oft dich toten Mann
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grüßend sehr beneidet.
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Läuse, Leutnant, blutiges Gras –
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Sage, wofür tatst du das?
 
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Auf uns sieht derselbe Mond,
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sehn dieselben Sterne –
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Deutschland, ewig knechtgewohnt,
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lechzt nach der Kaserne.
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Qual, vier Jahr, gestohlnes Fressen
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sind vergessen – sind vergessen…
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Brüllend rufen Rottenlieder:
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„Morgen wieder! morgen wieder!“
27 
Gruß dir –!
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Du bist dran zerschellt:
29 
an dem letzten Dreck der Welt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Auf ein Soldatenbild“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
29
Anzahl Wörter
121
Entstehungsjahr
1929
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Auf ein Soldatenbild“ wurde von dem deutschen Schriftsteller Kurt Tucholsky verfasst, der von 1890 bis 1935 lebte. Dies zeigt an, dass die in dem Gedicht behandelten Themen im Kontext des beginnenden 20. Jahrhunderts und vor allem der beiden Weltkriege zu sehen sind.

Schon beim ersten Durchlesen fällt das düstere und pessimistische Bild auf, das Tucholsky von der Situation des Soldaten zeichnet. Das lyrische Ich richtet sich direkt an den „du„-Adressaten und bezieht scheinbar auf ein Bild oder eine Erinnerung an einen Soldaten.

Im Inhalt schildert das lyrische Ich, wie es den Soldaten wahrnimmt: fremd, eingezwängt in eine Uniform und nicht verstehend, was um ihn herum geschieht („Du verstehst das Ganze nicht“). Im zweiten Teil wird deutlich, dass der Soldat gestorben ist („du bist weggegangen… du bist Lehm und hast genug“). Das lyrische Ich scheint den Soldaten aus persönlichen Gründen gut zu kennen, es drückt Trauer und Verzweiflung aus („Und ich muss nun lebenslang mich nach beiden bangen.“).

In der letzten Strophe ist ein starker politischer Unterton spürbar. Der Vers „Deutschland, ewig knechtgewohnt, lechzt nach der Kaserne“ kritisiert die Militarisierung von Deutschland und die Bereitschaft der Menschen, in den Krieg zu ziehen. Die kritische Perspektive des Autors auf das Militär und den Krieg wird besonders in der letzten Strophe deutlich: Der Soldat ist „an dem letzten Dreck der Welt“ zerschellt – ein starker Ausdruck für den Krieg als sinnlose und destruktive Handlung.

In Bezug auf Form und Sprache fällt auf, dass Tucholsky in einer klaren, unverschönten Sprache schreibt. Er benutzt einfache Worte und klare Bilder, um seine Botschaft zu übermitteln. Die Form des Gedichts ist ungewöhnlich: Die Erste, Zweite und Dritte Strophe bestehen jeweils aus sechs Versen, während die letzte Strophe elf Verse hat. Dies bricht mit dem üblichen Muster und betont vermutlich die besondere Bedeutung der letzten Strophe als Schluss und Höhepunkt des Gedichts.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Auf ein Soldatenbild“ ist Kurt Tucholsky. Tucholsky wurde im Jahr 1890 in Berlin geboren. 1929 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Die wichtigsten geschichtlichen Einflüsse auf die Literatur der Weimarer Republik waren der Erste Weltkrieg, der von 1914 bis 1918 andauerte, und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik. Das bedeutendste Merkmal der Literatur in der Weimarer Republik ist die Neue Sachlichkeit, die so heißt, da sie schlicht, klar, sachlich und hoch politisch ist. Die Literatur dieser Zeit war nüchtern und realistisch. Ebenso stellt sie die moderne Gesellschaft kühl distanziert, beobachtend, dokumentarisch und exakt dar. Die Autoren der Literaturepoche wollten so viele Menschen wie möglich mit ihren Texten erreichen, deshalb wurde eine einfache und nüchterne Alltagssprache verwendet. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das im Jahr 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht im Ausland suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk in ihrer Heimat bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist politische oder religiöse Gründe den Ausschlag. Die deutsche Exilliteratur entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten insbesondere die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten Deutschlands in den Jahren 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Die Themen der Exilliteratur Deutschlands lassen sich zunächst in zwei Gruppen einteilen. Einige Autoren fühlten sich in ihrer neuen Heimat nicht zu Hause, hatten Heimweh und wollten einfach in ihr altes Leben vor dem Nationalsozialismus zurückkehren. Oftmals konnten sie im Ausland nicht mehr ihrer Arbeit als Schriftsteller nachgehen, da sie nur in Deutsch schreiben konnten, was im Ausland aber niemand verstand. Heimweh und ihre Liebe zum Mutterland sind die Themen in ihren Werken. Die anderen Schriftsteller wollten sich gegen Nazideutschland wehren. Man wollte zum einen die Welt über die Grausamkeiten in Deutschland aufklären. Zum anderen aber auch den Widerstand unterstützen. Bestimmte formale Gestaltungsmittel wie zum Beispiel Metrum, Reimschema oder der Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel lassen sich in der Exilliteratur nicht finden. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Epoche geboren wurden. Das epische Theater von Bertolt Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Radioreden oder Flugblätter der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten zu erwähnen. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das 121 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 29 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Der Dichter Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „An Peter Panter“, „An das Publikum“ und „An die Meinige“. Zum Autor des Gedichtes „Auf ein Soldatenbild“ haben wir auf abi-pur.de weitere 136 Gedichte veröffentlicht.

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