Wär’ ich gestorben! von Louise Otto-Peters
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Wär ich gestorben in der Kindheit Tagen |
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Als ahnungsvoll mein erstes Lied ich sang, |
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Indeß im Marsellaisenwirbel-Schlagen |
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Das Freiheitsjauchzen meines Volkes klang, |
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Wo ich versteckt in meiner stillen Zelle |
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Begeistrungsvoll den Sieg des Fortschritts pries, |
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Und wo der Neuzeit morgenrote Helle |
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Ein träumrisch Kind zur Sängrin werden ließ. |
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Wär ich gestorben, da mich der umfangen |
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Der mir der Liebe Götterkraft gelehrt, |
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Beim ersten Kuß auf meine bleichen Wangen |
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Beim ersten Liebeswort, das ich gehört – |
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Da schwebten alle Himmel zu mir nieder, |
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Da lächelten mir alle Engel zu! |
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In seinem Herzen fand ich meines wieder |
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In seinem Arm allein der Sel’gen Ruh. |
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Wär ich gestorben als mit freien Liedern |
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Mich einst begrüßt ein deutscher Sängerchor, |
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Wo ihre Stimmen mir sich zu verbrüdern |
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Durch nächt’ge Stille schallten laut empor; |
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Daß ich es fröhlich durfte nun erkennen: |
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Was ich gestrebt mit redlich frommen Sinn, |
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Was ich gethan mich Deutschlands wert zu nennen |
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Die deutsche Jugend nahm es fröhlich hin! |
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Wär ich gestorben in der Töne Wettern |
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Beim Freudenchor der neunten Symphonie, |
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Wo Menschen werden zu lebend’gen Göttern |
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In dem Titannensturm der Poesie; |
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Wo Flammenblicke in das Herz mir glühten |
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Zu gleicher jubelnder Begeisterung! |
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Wo neue Paradiese mich umblühten |
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Und in den offnen Himmel war ein Sprung – |
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Wär ich gestorben als Du mich, Poete |
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Von Gottes Gnaden, Schwester hast genannt, |
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Des klagend Lied und dessen freie Rede |
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In meinem Herzen lautes Echo fand, |
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Und als Du selber lauschtest meinem Sange |
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Wie einer liebgewordnen Molodie, |
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So lauscht der Strom auf seinem weiten Gange |
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Der nahen Quelle und dem Strom lauscht sie. |
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Wär ich gestorben – doch es ist vergebens – |
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Nicht in den Stunden reiner Seligkeit, |
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Nicht in der Fülle eines kühnen Strebens |
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Naht uns der Tod und findet uns bereit! |
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Erst muß vorbei die stolze Stunde rennen |
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In der wir zweifellos uns selbst geglaubt, |
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Erst muß die heil’ge Flamme niederbrennen, |
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Der Kranz verdorren der uns frisch umlaubt! |
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Erst müssen wir auf Gräbern wandeln lernen |
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Und unser Herz muß werden selbst ein Grab; |
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Die leuchtendsten von unsres Glückes Sternen |
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Sie müssen vor uns sinken bleich hinab, |
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Erst wenn wir einsam unter Trümmern stehen, |
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Entlaubte Bäume unter Eis und Schnee, |
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Dann dürfen langsam wir zum Tode gehen, |
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Doch ohne Jubel, ohne Abschiedsweh. |
Details zum Gedicht „Wär’ ich gestorben!“
Louise Otto-Peters
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368
1840-1850
Realismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Wär' ich gestorben!“ wurde von Louise Otto-Peters, einer feministischen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin aus dem 19. Jahrhundert, verfasst. Es kann in dem Kontext der bürgerlichen Frauenbewegung und der Entwicklung der Lyrik im 19. Jahrhundert betrachtet werden.
Der erste Eindruck ist von einer eindringlichen und emotionalen Atmosphäre, in der das lyrische Ich auf bestimmte Momente im Leben reflektiert und ihrer Bedeutung in Bezug auf Tod und Vergänglichkeit nachdenkt.
Im Inhalt des Gedichts, sieht das lyrische Ich zurück auf verschiedene wichtige Lebensphasen und Ereignisse. Jede Strophe reflektiert einen solchen Moment, wie ihre künstlerische Entfaltung als Sängerin, ihre Erfahrung der Liebe, ihre Anerkennung als Dichterin und ihr tiefes Eintauchen in die Welt der Kunst und Poesie. In allen diesen Momenten reflektiert das lyrische Ich über den Tod und stellt sich vor, wie es wäre, in diesen Momenten des Glücks und der Erfüllung zu sterben.
In Bezug auf die Form und Sprache fällt auf, dass das Gedicht aus sieben Strophen mit jeweils acht Versen besteht. Es folgt kein regelmäßiges Reimschema, was dem Gedicht einen fließenden und eindringlichen Rhythmus verleiht. Die Sprache ist bildhaft und enthält viele Metaphern und Symbole, die auf die Vergänglichkeit, den Tod und das Vergnügen und Schmerz des Lebens hinweisen.
Das Gedicht ist eine tiefgründige Reflexion über die Vergänglichkeit des Lebens und die Schönheit und Freude, die in den intensiven Momenten des Lebens gefunden werden kann. Es spricht auch von der Ironie des Todes, dass er oft nicht in Momenten des Glücks kommt, sondern in Zeiten der Einsamkeit und des Verlustes. Es ist ein starkes Zeugnis für das Streben nach kreativer Erfüllung und die Anerkennung der Endlichkeit des Lebens. Es zeigt auch die tiefe Ringen von Louise Otto-Peters um die Anerkennung als Künstlerin und die Herausforderungen und Freuden, die sie auf diesem Weg erlebt hat.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Wär’ ich gestorben!“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Louise Otto-Peters. Otto-Peters wurde im Jahr 1819 in Meißen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1850 zurück. Erschienen ist der Text in Leipzig. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 368 Worte. Die Gedichte „An Ludwig Börne“, „An Richard Wagner“ und „Auf dem Kynast“ sind weitere Werke der Autorin Louise Otto-Peters. Zur Autorin des Gedichtes „Wär’ ich gestorben!“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 106 Gedichte vor.
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Zum Autor Louise Otto-Peters sind auf abi-pur.de 106 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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