Winternacht von Nikolaus Lenau

1	Vor Kälte ist die Luft erstarrt,
2	Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
3	Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
4	Nur fort, nur immer fortgeschritten!
5	Wie feierlich die Gegend schweigt!
6	Der Mond bescheint die alten Fichten,
7	Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,
8	Den Zweig zurück zur Erde richten.
9	Frost! friere mir ins Herz hinein,
10	Tief in das heißbewegte, wilde!
11	Daß einmal Ruh mag drinnen seyn,
12	Wie hier im nächtlichen Gefilde!
13	2.
14	Dort heult im tiefen Waldesraum
15	Ein Wolf; – wie’s Kind aufweckt die Mutter,
16	Schreit er die Nacht aus ihrem Traum
17	Und heischt von ihr sein blutig Futter.
18	Nun brausen über Schnee und Eis
19	Die Winde fort mit tollem Jagen,
20	Als wollten sie sich rennen heiß:
21	Wach auf, o Herz, zu wildem Klagen!
22	Laß deine Todten auferstehn,
23	Und deiner Qualen dunkle Horden!
24	Und laß sie mit den Stürmen gehn,
25	Dem rauhen Spielgesind aus Norden!

Details zum Gedicht „Winternacht“

Gedicht-Analyse

Der Autor dieses Gedichtes ist der österreichische Lyriker Nikolaus Lenau, der im 19. Jahrhundert gelebt hat. Das Gedicht „Winternacht“ ist also der Epoche der Romantik zuzuordnen, in der Natur und individuelle Gefühle im Vordergrund standen.

Auf den ersten Blick fällt die kraftvolle Beschreibung der winterlichen Landschaft ins Auge, die sowohl durch klare als auch durch metaphorische Sprache verstärkt wird.

Das Gedicht handelt von einer winterlichen Nacht, die das lyrische Ich alleine durchwandert. Die kalten und unwirtlichen Bedingungen führen zu körperlichen Reaktionen wie dem Dampfen des Atems und dem Klirren des Bartes. Durch die Zeilen zieht sich eine fortwährende, fast kämpferische Bewegung unter dem Motto: „Nur fort, nur immer fortgeschritten!“ Das lyrische Ich sehnt sich nach Ruhe und Stille, die es in der frostigen Umgebung findet. Es gibt eine Sehnsucht nach dem Tod und nach Vergessen, die in der Bitte an den Frost ausgedrückt wird, ins Herz zu frieren. Ein heulender Wolf unterbricht die Stille, die Winde brausen über das Eis und wecken heftige Emotionen. Das lyrische Ich fordert das Herz auf, seine Toten aufstehen zu lassen und seine Schmerzen freizulassen, damit sie mit den Stürmen fortgetragen werden können.

Das Gedicht besteht aus sieben Strophen mit jeweils vier Versen, bis auf die vierte Strophe, die nur aus einem Vers besteht, welcher allerdings eher als formaler Bestandteil und nicht als inhaltlicher Vers zu verstehen ist. Es wurde in einem freien Rhythmus verfasst und weist ein regelmäßiges Reimschema auf.

Die Sprache des Gedichts ist stark bildhaft und metaphorisch. Die winterliche Landschaft dient als Spiegel für die inneren Empfindungen des lyrischen Ichs. Zudem wird die Landschaft in ihrer ruhigen, klaren Schönheit fast feierlich beschrieben und steht zugleich für eine sehnsuchtsvolle Stimmung.

In „Winternacht“ kombiniert Lenau die Themen Natur, Individualität und Tod, die typisch für die Romantik sind. Dabei lebt das Gedicht von intensiven Naturbildern und der expressiven Schilderung persönlicher Empfindungen. Die Winternacht dient als Projektionsfläche für das innere Empfinden des lyrischen Ichs und wird so zum Spiegel seiner Selbst.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Winternacht“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Nikolaus Lenau. Der Autor Nikolaus Lenau wurde 1802 in Csatád geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1848. Stuttgart und Tübingen ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Biedermeier zuordnen. Der Schriftsteller Lenau ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 143 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 25 Versen. Weitere Werke des Dichters Nikolaus Lenau sind „An die Entfernte“, „An den Wind“ und „Schilflied“. Zum Autor des Gedichtes „Winternacht“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 51 Gedichte vor.

Das Video mit dem Titel „Nikolaus Lenau: WINTERNACHT (Gedicht zum Advent)“ wurde auf YouTube veröffentlicht. Unter Umständen sind 2 Klicks auf den Play-Button erforderlich um das Video zu starten.

Weitere Gedichte des Autors Nikolaus Lenau (Infos zum Autor)

• An meine Rose
• Leichte Trübung
• Herbstklage
• Herbstgefühl
• Herbstentschluß
• Herbst
• Der Postillion
• An einem Grabe
• An die Entfernte
• An den Wind

Zum Autor Nikolaus Lenau sind auf abi-pur.de 51 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.