Winterlied von Johann Gaudenz von Salis-Seewis

Das Feld ist weiß, so blank und rein,
Vergoldet von der Sonne Schein,
Die blaue Luft ist stille:
Hell wie Krystall
Blinkt überall
Der Fluren Silberhülle.
 
Der Lichtstrahl spaltet sich im Eis,
Er flimmert blau und roth und weiß,
Und wechselt seine Farbe.
10 
Aus Schnee heraus
11 
Ragt, nackt und kraus,
12 
Des Dorngebüsches Garbe.
 
13 
Von Reifenduft befiedert sind
14 
Die Zweige rings, die sanfte Wind’
15 
Im Sonnenstrahl bewegen.
16 
Dort stäubt vom Baum
17 
Der Flocken Flaum
18 
Wie leichter Blüthenregen.
 
19 
Tief sinkt der braune Tannenast
20 
Und drohet mit des Schnees Last
21 
Den Wandrer zu beschütten;
22 
Vom Frost der Nacht
23 
Gehärtet. kracht
24 
Der Weg von seinen Tritten.
 
25 
Das Bächlein schleicht, von Eis geengt:
26 
Voll lauter blauer Zacken hängt
27 
Das Dach; es stockt die Quelle;
28 
Im Sturze harrt,
29 
Zu Glas erstarrt,
30 
Des Wasserfalles Welle.
 
31 
Die blaue Meise piepet laut;
32 
Der muntre Sperling pickt vertraut
33 
Die Körner vor der Scheune.
34 
Der Zeisig hüpft
35 
Vergnügt und schlüpft
36 
Durch blätterlose Haine.
 
37 
Wohlan! auf festgediegner Bahn
38 
Klimm ich den Hügel schnell hinan,
39 
Und blicke froh ins Weite,
40 
Und preise den,
41 
Der rings so schön
42 
Die Silberflocken streute.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Winterlied“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
177
Entstehungsjahr
1785
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Winterlied“ ist Johann Gaudenz von Salis-Seewis, ein Schweizer Lyriker der Spätaufklärung und des Sturm und Drang. Er lebte von 1762 bis 1834, daher kann man das Gedicht zeitlich in diese Epochen einordnen.

Bereits beim ersten Lesen fällt der aufrichtige und ehrfürchtige Blick auf die winterliche Natur auf. Das lyrische Ich preist die Schönheit des Winters und nimmt in jeder Strophe verschiedene Aspekte der Winterlandschaft, vom Feld bis zum Bächlein, in den Fokus. Es wird ein Gefühl von Ruhe und Ehrfurcht vor der harten, aber schönen Winterzeit vermittelt.

Das lyrische Ich möchte mit seinen Aussagen die Schönheit und Stille des Winters hervorheben und den Leser dazu ermutigen, diese zu schätzen und zu genießen. Es richtet den Blick auf Kleinigkeiten, wie die Splitterung des Lichts im Eis oder das Piepen der Meise, und hebt so die Magie und Vielfalt der Winterzeit hervor.

Das Gedicht ist in sieben gleichgebauten Strophen mit je sechs Versen komponiert, was eine ruhige und harmonische Struktur schafft. Die Sprache des Gedichts ist anschaulich und mit einer Fülle von Adjektiven und Metaphern angereichert. Salis-Seewis benutzt diese, um die Schönheit und Klarheit des Winters zu beschreiben. Begriffe wie „blank und rein“, „Silberhülle“ oder „Flocken Flaum“ lassen eine eindrucksvolle Winterlandschaft vor dem inneren Auge entstehen. Zudem spiegelt die Sprache die Bewunderung des lyrischen Ichs für die Winterlandschaft wider.

Insgesamt ist „Winterlied“ ein Gedicht, das die Winterzeit in all ihren Facetten feiert und so die Augen für die Schönheit dieser Jahreszeit öffnet, die oft als kalt und hart wahrgenommen wird. Dabei stellt Salis-Seewis auch eine Verbindung zur Transzendenz her, indem das lyrische Ich Gott preist, der diese Schönheit erschaffen hat. Durch die ausführliche und bildgewaltige Beschreibung wirkt das Gedicht fast wie ein Gebet und unterstreicht somit die Verehrung und Wertschätzung der Natur durch den Autor.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Winterlied“ des Autors Johann Gaudenz von Salis-Seewis. Im Jahr 1762 wurde Salis-Seewis in Malans (Kanton Graubünden) geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1785. Erschienen ist der Text in Zürich. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit oder Sturm & Drang zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 177 Worte. Der Dichter Johann Gaudenz von Salis-Seewis ist auch der Autor für Gedichte wie „Vernunft und Glaube“, „Herbstlied“ und „Das Grab ist tief und stille“. Zum Autor des Gedichtes „Winterlied“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Johann Gaudenz von Salis-Seewis (Infos zum Autor)