Sonett XX. von William Shakespeare

Ein Frau’ngesicht gemalt von der Natur
Hast du, o Meister-Meistrin meiner Lust;
Ein zartes Frauenherz, das nie die Spur
Von Falschheit kannte, schlägt in deiner Brust;
Und hellre Augen ohne falschen Blick,
Vergoldend Alles, was sie sich betrachten;
Der Farbe Glanz gewähret dir das Glück,
Daß Männer nach dir schau’n und Frauen schmachten.
O ganz gewiß, wärst du als Frau geboren,
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Mußt’ nicht für dich selbst die Natur erglühen;
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Und so warst du durch sie für mich verloren,
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Da, neidisch mir, zu viel sie dir verliehen.
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Doch schuf sie dich, den Frauen zu genügen,
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Sei mein die Liebe, ihnen das Vergnügen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Sonett XX.“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
103
Entstehungsjahr
nach 1580
Epoche
Humanismus, Renaissance & Reformation

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sonett XX.“ wurde von William Shakespeare verfasst, einem englischen Dramatiker und Lyriker aus der Renaissance, der von 1564 bis 1616 lebte. Dieses Gedicht gehört zu den 154 Sonetten, die er in den Jahren 1593 bis 1609 veröffentlicht hat.

Das erste, was auffällt, ist die intensive Beschreibung einer Person, die sowohl männliche als auch weibliche Züge zu haben scheint. Das lyrische Ich beschreibt das Gesicht, das Herz und die Augen dieser Person in einer eher femininen Weise, betont aber auch, dass diese Person Männern und Frauen gleichermaßen gefällt.

Inhaltlich scheint das Gedicht von einer unerwiderten Liebe zu erzählen. Das lyrische Ich drückt seine Bewunderung und Anziehung zu dieser Person aus, gibt jedoch zu, dass diese vielleicht nicht ganz erwidert wird. Es entsteht der Eindruck einer tiefen Zuneigung und Sehnsucht, die jedoch zugleich mit Frustration und einem Gefühl der Unzulänglichkeit einhergeht.

Sprachlich ist das Gedicht in einem recht formalen, literarischen Stil verfasst, wie es für ein Sonett typisch ist. Es ist in einem strengen Reimschema (ABABCDCDEFEFGG) geschrieben und besteht aus drei Quartetten (Versgruppen mit vier Zeilen) und einem abschließenden Paar. Die konstante Verwendung von weiblichen Endungen, vor allem aber in der letzten Zeile („Sei mein die Liebe, ihnen das Vergnügen.“), unterstreicht zusätzlich die Femininität, die dem Adressaten des Gedichts zugeschrieben wird.

Die Form des Gedichts ist durch seine Struktur als Sonett gebunden, einem strengen lyrischen Format, das aus 14 Zeilen besteht und in dieser Zeit sehr beliebt war. Dies spiegelt die formalen Konventionen wider, die Shakespeare in seiner Dichtung benutzt hat.

Gleichwohl hebt dieses Sonett sich durch seine ungewöhnliche Thematisierung einer Ambiguität des Geschlechts von den anderen ab. Um diese Ambiguität besser zu verdeutlichen, spielt er mit geschlechtsspezifischen Begriffen und sprachlichen Konventionen.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Shakespeares „Sonett XX.“ eine intensive, komplexe Darstellung einer unerfüllten Liebe ist, die sich durch ihre Aufrichtigkeit, ihre sprachliche Meisterschaft und ihre unkonventionelle Thematisierung von Geschlechtsrollen auszeichnet. Es ist ein leidenschaftlicher, gleichzeitig aber auch leiser und eher introspektiver Text, der einen tiefen Einblick in die emotionale Welt des lyrischen Ichs bietet und gleichzeitig auf kühne Weise die Geschlechtergrenzen, die in Shakespeares Zeit als starr verstanden wurden, hinterfragt und verwischt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Sonett XX.“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers William Shakespeare. Im Jahr 1564 wurde Shakespeare in Stratford-upon-Avon geboren. In der Zeit von 1580 bis 1616 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Humanismus, Renaissance & Reformation zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Shakespeare handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 14 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 103 Worte. Der Dichter William Shakespeare ist auch der Autor für Gedichte wie „Sonett CL.“, „Sonett CLI.“ und „Sonett CLII.“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Sonett XX.“ weitere 160 Gedichte vor.

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