Auf der Kleinseite von Rainer Maria Rilke

1	Alte Häuser, steilgegiebelt,
2	hohe Türme voll Gebimmel, –
3	in die engen Höfe liebelt
4	nur ein winzig Stückchen Himmel.
5	Und auf jedem Treppenpflocke
6	müde lächelnd – Amoretten;
7	hoch am Dache um barocke
8	Vasen rieseln Rosenketten.
9	Spinnverwoben ist die Pforte
10	dort. Verstohlen liest die Sonne
11	die geheimnisvollen Worte
12	unter einer Steinmadonne.

Details zum Gedicht „Auf der Kleinseite“

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Auf der Kleinseite“ wurde von dem österreichischen Lyriker Rainer Maria Rilke verfasst. Rilke lebte von 1875 bis 1926, was seine Werke in die Epoche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, also in die Zeit der Décadence und der frühen Moderne einordnen lässt.

Auf den ersten Blick besticht das Gedicht durch eine atmosphärisch dichte und detailreiche Beschreibung einer engen, urbanen Szene. Die visuellen Bilder, die der Dichter erzeugt, sind voller Nostalgie und Romantik und vermitteln einen Eindruck von einer vergangenen, fast vergessenen Welt.

Inhaltlich beschreibt das Lyrische Ich eine alte städtische Umgebung, wahrscheinlich eine Stadt in Mitteleuropa. Die Bezugnahme auf Amoretten, barocke Vasen und eine Steinmadonna weisen auf historisch-religiöse Elemente hin, die diese alte Welt charakterisieren. Darüber hinaus scheint das Lyrische Ich eine Art Sehnsucht oder eine tiefe Wertschätzung für diese altertümliche Schönheit und Einzigartigkeit auszudrücken.

Was die Form betrifft, so besteht das Gedicht aus drei Strophen zu je vier Versen, was es recht handlich und kompakt macht. Bezüglich der Reime handelt es sich um umarmende Reime in jeder Strophe (abba). Die Sprache von Rilke ist reich an Adjektiven und Metaphern, die das Gedicht bildreich und lebendig gestalten. Durch die zahlreichen Beschreibungen schafft der Autor eine atmosphärische und bildhafte Darstellung der Kleinseite.

Zusammenfassend kann man sagen, dass „Auf der Kleinseite“ ein poetisches Meisterwerk Rilkes ist, das eine detaillierte und nostalgische Darstellung einer alten Stadtumgebung bietet. Durch die Verwendung von detailreichen und atmosphärischen Beschreibungen gelingt es Rilke, ein fast greifbares und lebendiges Bild dieser Umgebung zu erzeugen, das die Leser in eine vergangene Zeit entführt und eine tiefgehende Wertschätzung für die Schönheit und Einzigartigkeit der alten Welt hervorruft.

Weitere Informationen

Rainer Maria Rilke ist der Autor des Gedichtes „Auf der Kleinseite“. Geboren wurde Rilke im Jahr 1875 in Prag. Zwischen den Jahren 1891 und 1926 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Frankfurt am Main. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 47 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 12 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Rainer Maria Rilke sind „Adam“, „Advent“ und „Allerseelen“. Zum Autor des Gedichtes „Auf der Kleinseite“ haben wir auf abi-pur.de weitere 338 Gedichte veröffentlicht.

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