Sonett LXII. von William Shakespeare

Der Selbstsucht Sünde hält mein Aug’ umfangen,
Beherrschet meinen Geist, mein ganzes Sein,
Nicht Gegenmittel weiß ich zu erlangen,
Da tief die Sünd’ im Herzen wurzelt ein.
Kein Antlitz dünkt so hold mich als das meine,
Kein Wesen zeiget so der Wahrheit Zier;
Den eignen Werth bestimm’ ich mir alleine,
Es kann kein Werth vergleichen sich mit mir.
Doch wenn mein Selbst im Spiegel ich gewahr’
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Verfallen und gebeugt von Alters Last,
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Der Eigenliebe wird’s dann offenbar,
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Welch sünd’ge Neigung ich für mich gefaßt.
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Du, mein Ich, bist’s, was ich verehr’ in mir;
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Die Schönheit borgt mein Alter sich von dir!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Sonett LXII.“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
104
Entstehungsjahr
nach 1580
Epoche
Humanismus, Renaissance & Reformation

Gedicht-Analyse

Das Gedicht ist ein Sonett von William Shakespeare, einem englischen Dramatiker und Lyriker, der im 16. und 17. Jahrhundert lebte. Das Sonett LXII gehört zu seinen 154 berühmten Shakespeare-Sonetten, die um das Jahr 1600 entstanden.

Beim ersten Lesen wirkt das Gedicht ernst und nachdenklich. Es beschäftigt sich mit der Selbsterkenntnis und der Auseinandersetzung mit dem eigenen Ego.

Der Inhalt des Sonetts dreht sich um das lyrische Ich, das sich seiner eigenen Selbstsucht und Selbstverliebtheit bewusst wird. Es stellt fest, dass es seine eigene Schönheit und Bedeutung höher einschätzt als die anderer Menschen („Kein Antlitz dünkt so hold mich als das meine“), und erkennt darin eine Sünde. Es lässt darauf schließen, dass das lyrische Ich so von sich selbst eingenommen ist, dass es keine Möglichkeit sieht, diese Selbstsucht zu bekämpfen. Gleichwohl wird es ihm schmerzlich bewusst, dass diese Schönheit und Vitalität im Laufe der Zeit schwindet, und reflektiert, dass seine Selbstliebe eine falsche Wahrnehmung war.

Formal gesehen, folgt das Gedicht der klassischen Struktur des englischen Sonetts, das aus 14 Versen besteht. Shakespeare verwendet hierbei eine abwechslungsreiche Metrik und einen ausgeprägten Rhythmus. Die Wortwahl ist typisch für die Epoche der Renaissance mit einer kunstvollen, teilweise altertümlichen Sprache. Dies spiegelt gleichzeitig die Mühen und Schwierigkeiten wider, die mit der Auseinandersetzung der Selbstreflexion einhergehen.

Zusammenfassend geht das Sonett LXII von Shakespeare intensiv auf das Thema der Selbsterkenntnis und der menschlichen Selbstüberschätzung ein. Es zeigt die Bitterkeit des Alterns und die Erkenntnis, dass Selbstliebe nicht vor Verfall schützt. Dabei offenbart es auch die Tiefe von Shakespeares Gedanken und seiner Fähigkeit, menschliche Emotionen und Erfahrungen in kunstvoller Poesie auszudrücken.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Sonett LXII.“ des Autors William Shakespeare. Shakespeare wurde im Jahr 1564 in Stratford-upon-Avon geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1580 bis 1616 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Humanismus, Renaissance & Reformation zugeordnet werden. Shakespeare ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 104 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 14 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors William Shakespeare sind „Sonett CIX.“, „Sonett CL.“ und „Sonett CLI.“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Sonett LXII.“ weitere 160 Gedichte vor.

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