Wiedersehn mit Schmetterlingen von Karl Kraus

Wie nach den Lebensnächten
es prangt in neuen Prächten,
vom Morgenthau benetzt!
Was hebet aus den Grüften
und letzt mit linden Lüften
auch mich zuguterletzt?
 
Es heilt das Herz vom Hirne
und kühlt die kranke Stirne
am jungen Tag gesund.
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Das strömt von andern Sternen
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und läßt die Liebe lernen
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auf einem grünen Grund.
 
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Der Welt war ich ein Riese.
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Ein Kind bin ich der Wiese.
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Nun ist’s wie dazumal.
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Dort drüben hinterm Berge,
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dort kämpfen feige Zwerge.
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Ich spiele in dem Thal.
 
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Hier, fern von Trug und Tadel,
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leiht Rittersporn den Adel,
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mein Muth ist Löwenzahn!
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Die Zeit mir zu begleiten,
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erzählt der Bach von Zeiten,
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die hat die Zeit verthan.
 
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Und daß ich wieder singe,
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erscheinen Schmetterlinge,
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o grenzenloses Glück!
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Auf einem Sonnenstrahle
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die stolzen Admirale,
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sie kehren mir zurück!
 
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War’s schwer, ihr Papilionen,
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auf dieser Welt zu wohnen?
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Verlort ihr diese Spur?
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Zusammen hier zu rasten,
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lockt uns ein Leierkasten,
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der spielt »Nur für Natur«.
 
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Wir junggewohnten Schwärmer,
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wir wurden arm und ärmer
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in der papiernen Pein.
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So sagt, ihr losen Lieben,
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wo wart ihr denn geblieben,
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und ließet mich allein?
 
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Der Walzer ist verflossen,
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wir waren Zeitgenossen,
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bleibt doch ein Weilchen stehn!
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Die Zukunft ist begraben,
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die fressen schon die Raben.
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Wann werden wir uns wiedersehn?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „Wiedersehn mit Schmetterlingen“

Autor
Karl Kraus
Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
212
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht trägt den Titel „Wiedersehn mit Schmetterlingen“ und wurde von dem österreichischen Schriftsteller und Dichter Karl Kraus verfasst, der von 1874 bis 1936 lebte. Kraus gehört zur Epoche des Expressionismus, der durch eine stark subjektive Ausdrucksform und eine kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft geprägt war.

Leser bekommen beim ersten Durchlesen des Gedichts das Gefühl, dass das lyrische Ich seine Gedanken und Empfindungen in Bezug auf das Leben und Wiedergeburt beziehungsweise Wiederaufleben ausdrückt. Es scheint eine Art spirituellen und emotionalen Erwachensprozess zu durchlaufen, der durch eine Rückkehr in die Natur initiiert wird.

Thematisch geht es in diesem Gedicht um Erneuerung, Selbsttransformation und die Sehnsucht nach natürlicher und einfacher Schönheit. Das lyrische Ich fühlt sich als Teil einer natürlichen Welt der Wunder und Schönheit, die durch Schmetterlinge symbolisiert wird. Es stellt Fragen nach der Kostbarkeit und Vergänglichkeit des Lebens und blickt nostalgisch und gleichzeitig hoffnungsvoll in die Zukunft.

Die Form des Gedichts ist durch acht gleichlange Strophen mit jeweils sechs Versen gekennzeichnet. Es handelt sich um gereimte Verse, die Ökonomie und Präzision bezeugen, welche für das dichterische Werk von Karl Kraus charakterisch sind. Die Sprache des Gedichts ist bildhaft und metaphorisch, wodurch emotionale Tiefe und melancholische Stimmung erzeugt werden. In diesem Zusammenhang dienen Schmetterlinge als starke Symbole für Transformation und Wiedergeburt.

Schlussendlich lässt sich also sagen, dass das Gedicht „Wiedersehn mit Schmetterlingen“ von Karl Kraus eine tiefgreifende poetische Ausdrucksform darstellt, die sich mit existenziellen Fragen des Lebens und erhellenden Einsichten des Dichters befasst. Dabei wird die Welt der Natur als Ort des Erwachens und der Transformation gefeiert.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Wiedersehn mit Schmetterlingen“ des Autors Karl Kraus. Geboren wurde Kraus im Jahr 1874 in Jičín (WP), Böhmen. Im Jahr 1920 ist das Gedicht entstanden. In München ist der Text erschienen. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 212 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Die Gedichte „Als Bobby starb“, „An den Schnittlauch“ und „An eine Falte“ sind weitere Werke des Autors Karl Kraus. Zum Autor des Gedichtes „Wiedersehn mit Schmetterlingen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 61 Gedichte veröffentlicht.

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