Wie mag er aussehn? von Joachim Ringelnatz

Wer hat zum Steuerbogenformular
Den Text erfunden?
Ob der in jenen Stunden,
Da er dies Wunderwirr gebar,
Wohl ganz – – – oder total – – war?
 
Du liest den Text. Du sinnst. Du spinnst.
Du grinst – „Welch Rinds'“ – Und du beginnst
Wieder und wieder. – Eisigkalt
Kommt die Vision dir „Heilanstalt“.
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Für ihn? Für dich? – Dein Witz erblaßt.
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Der Mann, der jenen Text verfaßt,
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Was mag er dünkeln oder wähnen?
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Ahnt er denn nichts von Zeitverlust und Tränen?
 
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Wir kommen nicht auf seine Spur.
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Und er muß wohl so sein und bleiben.
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Auf seinen Grabstein sollte man nur
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Den Text vom Steuerbogen schreiben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Wie mag er aussehn?“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
17
Anzahl Wörter
98
Entstehungsjahr
1934
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Wie mag er aussehn?“ stammt von dem deutschen Dichter Joachim Ringelnatz, der von 1883 bis 1934 lebte und besonders für seine humorvollen und satirischen Gedichte bekannt ist. Inhaltlich deutet das Gedicht auf eine Kritik an Bürokratie und Formalitäten hin, die Ringelnatz insbesondere durch die Formulierung des „Steuerbogenformulars“ zum Ausdruck bringt.

Bereits von der ersten Strophe an wird ein Gefühl von Verwirrung und Frustration vermittelt. Das lyrische Ich beschäftigt sich hier mit der Frage, wer wohl den Text zu einem Formular, genauer einem Steuerbogen, erfunden hat und deutet mit der Aussage „Wohl ganz – – – oder total – – war?“ an, dass diese Person vermutlich nicht bei vollem Verstand sein kann.

Diese Frustration und Befremdlichkeit setzt sich in der zweiten Strophe fort. Das lyrische Ich liest den Text, grübelt und wird verwirrt („Du sinnst. Du spinnst.“). Der Gedanke an eine „Heilanstalt“ manifestiert den Eindruck, dass der Verfasser des Formulars wahnsinnig sein muss - oder dass der Prozess der Beschäftigung mit dem Formular einen selbst in den Wahnsinn treiben könnte. Zudem wird mit der Zeile „Ahnt er denn nichts von Zeitverlust und Tränen?“ hervorgehoben, wie viel Zeit und Mühe in solche Formalitäten gesteckt werden muss.

In der dritten und letzten Strophe wird letztendlich resigniert, dass der Erfinder des Formulars nicht ausfindig gemacht werden kann und eben so bleiben muss. Die letzte Zeile, „Auf seinen Grabstein sollte man nur / Den Text vom Steuerbogen schreiben.“ ist eine sarkastische Anmerkung und zeigt, wie der Autor des Gedichts die Bedeutung solcher bürokratischen Texte und ihren Erfindern sieht: Sie sind eins, unverständlich und beherrschen das Leben der Menschen.

Formal fallen vor allem der unregelmäßige Versbau und der Wechsel von Jambus und Trochäus auf. Die Sprache ist einfach gehalten, so dass die Kritik trotz der metaphorischen Umschreibungen verständlich bleibt. Insbesondere die Leerstellen und Gedankenstriche dienen dazu, die Verwirrung und das Befremden des lyrischen Ichs über die komplizierte Bürokratie zum Ausdruck zu bringen. Insgesamt ist das Gedicht ein typischer Ausdruck von Ringelnatz' Humor und seiner Fähigkeit, Alltagsphänomene auf pointierte Weise zu kritisieren.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Wie mag er aussehn?“ ist Joachim Ringelnatz. Geboren wurde Ringelnatz im Jahr 1883 in Wurzen. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1934. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 98 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 17 Versen. Die Gedichte „...als eine Reihe von guten Tagen“, „7. August 1929“ und „Abendgebet einer erkälteten Negerin“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Zum Autor des Gedichtes „Wie mag er aussehn?“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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