Weserfahrt von Louise Otto-Peters

Und mögen sie dichten und singen
Vom alten deutschen Rhein.
Mein Lied soll der Weser erklingen,
Soll ihr gewidmet sein!
 
Die Werra und Fulda, die beiden,
Die haben’s wohl erkannt,
Die wollen zusammen durchgleiten,
Vereint das Vaterland.
 
Die wollen treu halten zusammen
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Mit einem Wort genannt,
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Weil beid aus Germanien stammen,
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Dem alten Vaterland! –
 
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Im Land, das die Weser durchwallet,
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Erklang einst Hermanns Wort,
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Und Dröhnen der Schilde erschallet,
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Schlachtruf tönt fort und fort.
 
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„Wir wollen uns schützen und schirmen
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Vor römischem Uebermut!
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Wir wollen Aliso erstürmen,
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Vernichten Römerbrut!
 
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Hier halle den römischen Heeren
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Ein trotzig deutsches: Halt!
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Hier werden die Völker sich wehren,
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Am Weserfluß und -Wald.
 
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„Hier werden sie kämpfen und stehen
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Für ihr germanisch Recht,
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Und werden als Sieger sich sehen
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Im heiligsten Gefecht!“ –
 
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Cheruskas Fürst an der Spitze,
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So ziehen sie in den Streit,
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Vernichten wie rächende Blitze
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Die römische Herrlichkeit.
 
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Die Römer, die leicht überschritten,
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Den breiten, stolzen Rhein,
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Sind nicht an der Weser gelitten.
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Die Weser kann befrein. –
 
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So war es vor uralten Zeiten
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Als solches hier geschah.
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Und wieder gilt es zu streiten –,
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Ist denn kein Hermann da?
 
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Kein Hermann und keine Germanen
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Zu Schutz und Trutz bewehrt,
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Die heilige Freiheit der Ahnen
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Zu wahren mit dem Schwert?
 
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Die Werra und Fulda, die beiden,
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Die haben’s wohl erkannt,
47 
Die wollen zusammen durchgleiten
48 
Vereint das Vaterland.
 
49 
Die sind längst zusammen gezogen
50 
Durch Deutschlands Au und Hain.
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Es flüstern und murmeln die Wogen:
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„Die Weser kann befrein!“
 
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Und die an den Ufern es hören,
54 
Vertrauen ihr sich an,
55 
Und ziehen in traurigen Chören
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Zu ihren Schiffen heran.
 
57 
Und fliehen vom heimischen Lande,
58 
Dem fremden sich zu weihn,
59 
Und flüstern zum Meer noch vom Strande:
60 
„Die Weser kann befrein!“
 
61 
Leb wohl o germanische Erde,
62 
Uns winkt Amerika – –
63 
Sie rufen’s mit Trauergebärde – –
64 
Ist denn kein Hermann da?
 
65 
Kein Hermann und keine Germanen,
66 
Daß Deutschland verzweifeln muß,
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Verdienen die heiligen Ahnen
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Nur einen Abschiedsgruß?
 
69 
Und was aus uralten Zeiten
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Die Weser noch erzählt –!
71 
Ihr sollt es so falsch nicht deuten,
72 
Daß Ihr Auswanderung wählt! –
 
73 
Die Werra und Fulda, die beiden
74 
Die haben’s wohl erkannt,
75 
Die möchten vereint durchgleiten
76 
Ein einig Vaterland.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.7 KB)

Details zum Gedicht „Weserfahrt“

Anzahl Strophen
19
Anzahl Verse
76
Anzahl Wörter
357
Entstehungsjahr
1840-1850
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Weserfahrt“ wurde von Louise Otto-Peters verfasst, einer deutschen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, die von 1819 bis 1895 lebte. Ihre Werke fallen in die Zeit der Romantik und des Biedermeiers und sind geprägt von Liberalismus und Feminismus.

Beim ersten Durchlesen werden nationalistische und historische Töne deutlich. Das Gedicht thematisiert das Zusammenfließen der Flüsse Werra und Fulda zur Weser als Metapher für die Einheit des Vaterlandes und ruft dabei geschichtlich bedeutsame Begebenheiten wie die Schlacht im Teutoburger Wald auf.

Inhaltlich wird zunächst die Weser und ihr Zusammenfluss aus Werra und Fulda prominent dargestellt. Sie werden als personifizierte Einheiten gezeigt, die sich zur Vereinigung Deutschlands bekennen. In den Mittelstrophen wird die Geschichte von Hermann dem Cherusker und seiner Truppe erzählt, die das römische Heer besiegten und Deutschland von der römischen Herrschaft befreiten. Die Dichterin fragt nach einem neuen Hermann, einem Anführer, der die Menschen im schützen und das Vaterland vereinen kann.

Formal besteht das Gedicht aus 19 gleich aufgebauten Strophen zu je vier Zeilen, eine klassische Form mit klarem Rhythmus und Reimschema. Der Sprachgebrauch ist gehoben und betont dramatisch, was insbesondere in den historischen Referenzen und der Personifizierung der Flüsse zum Ausdruck kommt.

Der Schlüssel zur Interpretation des Gedichts liegt in der Verknüpfung von Geschichte, Natur und Nationalismus. Der Fluss, und speziell der Zusammenfluss, wird als Symbol für die Einheit und Stärke des Landes verwendet. Die Erinnerung an historische Ereignisse und Figuren soll dabei das Nationalgefühl stärken und zum Kampf für Unabhängigkeit und Einheit anstacheln.

Auch soziale Themen werden angesprochen, insbesondere in den späteren Strophen, in denen Auswanderung und die Suche nach einem neuen „Hermann“ thematisiert werden. Dies lässt sich als Gesellschaftskritik und Appell an die Leser interpretieren, für ihre Heimat einzustehen und diese zu schützen anstatt sie zu verlassen. Hier zeigt sich Otto-Peters Engagement für soziale Belange und ihre Überzeugung, dass Veränderung und Verbesserung in der Gesellschaft möglich und notwendig sind.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Weserfahrt“ ist Louise Otto-Peters. Die Autorin Louise Otto-Peters wurde 1819 in Meißen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1850 zurück. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her lässt sich das Gedicht der Epoche Realismus zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 76 Versen mit insgesamt 19 Strophen und umfasst dabei 357 Worte. Die Gedichte „Allein“, „Am Schluß des Jahres 1849“ und „Am längsten Tage“ sind weitere Werke der Autorin Louise Otto-Peters. Zur Autorin des Gedichtes „Weserfahrt“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 106 Gedichte vor.

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