Wenn erst von Kurt Tucholsky

Mein Sohn, was hör ich nur für Sachen?
Was schreibt mir Mutter da ins Feld?
Du willst die Schularbeit nicht machen,
du brauchst jetzt so viel Taschengeld?
Du sitzt jetzt manchmal schon beim Weine
(und warst doch sonst so brav und fromm!) –
Mein Sohn, ich sag dir nur das eine:
Laß Vatern bloß nach Hause komm’!“
 
Nachdem ich Fritzchen dies geschrieben,
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hab ich mir manches überdacht.
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Bei denen, die zu, Hause blieben,
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sind Furcht und Hoffnung aufgewacht.
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Der Friede kommt auf Glücksgaloschen,
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das Feuer sank, das Feuer glomm,
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und einmal ist es ganz erloschen …
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Laß Vatern bloß nach Hause komm’!
 
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Zum Beispiel Minchen spürt ein lindes
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Gefühl in ihrem zart Gemüt.
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Sie steht jetzt im Jahrzehnt des Kindes
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und ist auch häufig drum bemüht.
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Mama hat die und jene Sorgen,
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manch Fellchen ihr von dannen schwomm –
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Der wuchert, und der will nicht borgen …
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Laß Vatern bloß nach Hanse komm’!
 
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Und auch mit unsrer Politike – –
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da langt der Zensor nach dem Stift,
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und aus ists mit der Versmusike.
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Wir beten still: O Vater Swift!
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Begrüßten doch nicht gar so späte
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Die an der Düna und der Somme
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den Reichstag, die Geheimbderäte …
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Laßt Vatern bloß nach Hause komm’!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Wenn erst“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
196
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von Kurt Tucholsky und wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfasst. Der genaue Veröffentlichungszeitpunkt ist nicht angegeben, jedoch lässt die thematische Struktur des Gedichts auf die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen schließen.

Bereits beim ersten Eindruck sticht die klare Struktur des Gedichts hervor. Es besteht aus vier Strophen, jeweils acht Verse lang. Auffällig ist der sich stets wiederholende letzte Vers jeder Strophe „Laß Vatern bloß nach Hause komm’!“.

Inhaltlich erzählt das lyrische Ich aus verschiedenen Perspektiven über die alltäglichen Sorgen und Nöte, angefangen von schulischen Problemen, über die Sehnsucht nach Harmonie im familiären Umfeld bis hin zu politischen Herausforderungen. Dabei wirkt das lyrische Ich als eine Art Mittler oder Berichterstatter, der einerseits von den Schwierigkeiten der Daheimgebliebenen während des Krieges berichtet und andererseits die tiefe Sehnsucht nach Frieden und einer Rückkehr zur Normalität zum Ausdruck bringt. Die ständige Wiederholung des letzten Verses jeder Strophe dient dabei als deutliches Signal für diese Hoffnung auf Rückkehr und Harmonie.

In Bezug auf die Form, folgt das Gedicht einer regelmäßigen Vers- und Strophenstruktur, ohne dabei ein festes Reimschema zu haben. Die Sprache ist eher einfach und geradeheraus, ohne komplizierte Metaphern oder lyrische Bilder. Dies unterstreicht den direkten und ehrlichen Ton des Gedichts.

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Kurt Tucholsky mit seinem Gedicht „Wenn erst“ auf eindrucksvolle Weise die Gedanken, Sorgen und Sehnsüchte der Menschen in einer Kriegs- und Nachkriegszeit zum Ausdruck bringt. Dabei macht er deutlich, wie tief der Wunsch nach Frieden und Normalität in den Menschen verwurzelt ist und wie sehr die Abwesenheit von geliebten Familienmitgliedern das tägliche Leben beeinflusst.

Weitere Informationen

Kurt Tucholsky ist der Autor des Gedichtes „Wenn erst“. Geboren wurde Tucholsky im Jahr 1890 in Berlin. Im Jahr 1919 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Charlottenburg. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zuordnen. Der Schriftsteller Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Erste Weltkrieg und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik hatten großen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik. Bei der Neuen Sachlichkeit war der Inhalt der Texte wichtiger als die Form. Die Schreiber dieser Bewegung wollten mit ihren Texten möglichst viele Menschen aus allen sozialen Schichten ansprechen. Aus diesem Grund wurden die Texte in einer alltäglichen Sprache verfasst und wurden oft im Stile einer dokumentarisch-exakten Reportage geschrieben. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. In der Praxis wurde dieses Gesetz allerdings nur gegen linke Autoren angewandt. Aber gerade die rechts gerichteten Schriftsteller waren es häufig, die in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Die Grenzen der Zensur wurden im Jahr 1926 durch das sogenannte Schund- und Schmutzgesetz nochmals verstärkt. Die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen wurden durch die Pressenotverordnung im Jahr 1931 ermöglicht.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht im Ausland suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk in ihrer Heimat bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist politische oder religiöse Gründe den Ausschlag. Die Exilliteratur in Deutschland entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten zum Beispiel die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die deutsche Exilliteratur schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an und bildet damit eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Themen wie Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme, Sehnsucht nach der Heimat oder Widerstand gegen das nationalsozialistische Deutschland sind typisch für diese Epoche der Literatur. Bestimmte formale Merkmale lassen sich jedoch nicht finden. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Realismus und Expressionismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte Gesellschaftsentwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 196 Worte. Der Dichter Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „An Peter Panter“, „An das Publikum“ und „An die Meinige“. Zum Autor des Gedichtes „Wenn erst“ haben wir auf abi-pur.de weitere 136 Gedichte veröffentlicht.

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