Wellen von Stefan George

Ihr wellen bracht euch erst an blauen kieseln
Im waldestal wo sich die wege zwieseln.
 
Als bäche rolltet ihr durch sonniges land ·
Verspriztet weinend am umgrünten strand.
 
Dann hat euch unter blitz und eisigen schlossen
Der fluss zur grossen flut hinausgestossen.
 
Am myrtenfels habt ihr euch wild gebäumt ·
Auf unfruchtbarem sand seid ihr verschäumt.
 
Ihr spültet mit perlmutterfarbne leiber ·
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Ihr waret glückerfüllter lasten treiber ·
 
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Bis euch der sturm in weite öden jug ·
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An riff und klippe gellend euch zerschlug.
 
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Nun werdet ihr in unsichtbarem schlunde
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Dahin gewälzt nicht wissend mehr von stunde
 
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Von trieb und ziel · nicht mehr von wind und lee
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Als uferlose ströme durch die see.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Wellen“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
108
Entstehungsjahr
1922
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Wellen“ stammt aus der Feder von Stefan George, einem namhaften deutschen Lyriker und Übersetzer der Moderne. George wurde am 12. Juli 1868 geboren und verstarb am 4. Dezember 1933. Sein Werk lässt sich somit in die Zeit um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert einordnen, in ein Zeitalter also, das von gesellschaftlichen Umbrüchen und kontroversen Debatten geprägt war.

Auf den ersten Blick präsentiert sich das Gedicht als eine sinnliche Naturbeschreibung. Die Landschaft wird jedoch nicht nur bildhaft dargestellt, sondern auch personifiziert. Die 'Wellen' werden zu Akteuren, die eine Reise durch verschiedene Stationen und Gefühlszustände unternehmen.

Das lyrische Ich beschreibt zu Beginn, wie die Wellen in einem ruhigen Tal ihren Anfang nehmen und sich dann zu Bächen formen, die durch sonnige Landschaften rollen. Aber diese scheinbar friedliche Reise wird unterbrochen von stürmischen Phasen, in denen die Wellen durch Blitz und Eis in eine große Flut verwandelt werden und in die raue See hinausgetrieben werden. Schließlich wird dargestellt, wie die Wellen in einem unfruchtbaren Sand verschäumt sind und wie ein Sturm sie zerschlägt.

Das lyrische Ich scheint hier den Lebenslauf oder das Schicksal eines menschlichen Individuums zu allegorisieren: die ruhige Kindheit, die stürmische Jugend, die Reifezeit in der Erwachsenenwelt und schließlich den Tod. Dabei werden sowohl die Freude und das Glück als auch die Stürme und Rückschläge des Lebens eindrucksvoll dargestellt.

Das Gedicht ist formal im Kreuzreim geschrieben und die wechselnde Verslänge sowie die Interpunktion erzeugen einen abwechslungsreichen Rhythmus, der die Fluktuationen der Wellen bzw. des Lebens nachempfindet. Der Duktus ist archaisierend und kraftvoll, die Bilder oft stark und intensiv. Darüber hinaus sind die Verszeilen durch Alliterationen, Assonanzen und Inversionen reich verziert, was die Leser*innen zu einer sinnlichen Lektüre einlädt.

Deutlich wird auch die Symbolkraft des Wassers in diesem Gedicht: es steht für Lebenskraft und -freude, für Wandlung und Vergänglichkeit, für Unruhe und Gleichmut. Der Fluss als Metapher des (menschlichen) Lebens ist ein bekanntes Motiv in der Lyrik und wird hier von Stefan George in einer interessanten Variante umgesetzt, indem er die 'Wellen' im Fokus hat.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Wellen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Stefan George. 1868 wurde George in Büdesheim bei Bingen am Rhein geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1922. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. George ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 108 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Stefan George sind „Weihe“, „Traum und Tod“ und „Des jahres wilde glorie durchläuft“. Zum Autor des Gedichtes „Wellen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 52 Gedichte veröffentlicht.

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