Was treibt und tobt mein tolles Blut? von Heinrich Heine

Was treibt und tobt mein tolles Blut?
Was flammt mein Herz in wilder Gluth?
Es kocht mein Blut und zischt und gährt,
Und grimme Gluth mein Herz verzehrt.
 
Das Blut ist toll, die Flamme wild,
Weil zu mir kam ein Traumgebild;
Es kam der finstre Sohn der Nacht,
Und hat mich keuchend fortgebracht.
 
Er bracht’ mich in ein helles Haus,
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Wo Harfenklang und Saus und Braus,
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Und Fackelglanz und Kerzenschein;
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Ich kam zum Saal, ich trat hinein.
 
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Das war ein lustig Hochzeitfest;
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Zu Tafel saßen froh die Gäst’.
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Und wie ich nach dem Brautpaar schaut’, –
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O weh! mein Liebchen war die Braut.
 
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Das war mein Liebchen wunnesam,
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Ein fremder Mann war Bräutigam;
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Dicht hinter’m Ehrenstuhl der Braut,
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Da blieb ich stehn, gab keinen Laut.
 
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Es rauscht Musik, – gar still stand ich;
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Der Freudenlärm betrübte mich.
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Der Bräutgam oft gar zärtlich blickt,
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Die Braut erwiedert’s hold und nickt.
 
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Der Bräutgam füllt den Becher sein,
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Und trinkt daraus, und reicht gar fein
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Der Braut ihn hin; sie lächelt Dank, –
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O Weh! mein rothes Blut sie trank.
 
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Die Braut ein hübsches Aepflein nahm,
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Und reicht es hin dem Bräutigam.
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Der nahm sein Messer, schnitt hinein, –
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O Weh! das war das Herze mein.
 
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Sie äugeln süß, sie äugeln lang,
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Der Bräut’gam kühn die Braut umschlang,
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Und küßt sie auf die Wangen roth, –
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O Weh! mich küßt der kalte Tod.
 
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Wie Blei lag meine Zung’ im Mund’,
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Daß ich kein Wörtlein sprechen kunt.
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Da rauscht es auf, der Tanz begann;
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Das schmucke Brautpaar tanzt voran.
 
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Und wie ich stand so leichenstumm,
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Die Tänzer schweben flink herum; –
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Ein leises Wort der Bräut’gam spricht,
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Die Braut wird roth, doch zürnt sie nicht. – –
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Was treibt und tobt mein tolles Blut?“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
279
Entstehungsjahr
1817–1821
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht stammt vom deutschen Dichter Heinrich Heine aus dem 19. Jahrhundert. Hinsichtlich der ersten Lektüre fällt die intensive emotional geladene Sprache des lyrischen Ichs auf. Das Gedicht scheint von großer Leidenschaft und innerer Qual zu handeln, was sich durch die Rückwendung zu körperlichen Symptomen ausdrückt.

In Bezug auf den Inhalt beschreibt das lyrische Ich zunächst seine körperlichen Empfindungen des Begehrens und der Qual in den ersten beiden Strophen, bevor der Leser erfährt, dass dies durch einen Traum ausgelöst wird, in dem das lyrische Ich die Hochzeit seiner geliebten Person mit einem anderen Mann beobachtet. Insbesondere in den Versen 16, 28, 32 und 36, ist die tiefe Verzweiflung und das Leiden des lyrischen Ichs angesichts dieser sichtbaren Zeichen der gegenseitigen Zuneigung zwischen Braut und Bräutigam eindrücklich zu erkennen. Der Gedichtinhalt zeigt eine verlorene Liebe und den Schmerz des lyrischen Ichs, der sich in einer lebhaft visualisierten Traumsequenz ausdrückt.

Formal ist das Gedicht in einundzwanzig Strophen mit vier Versen aufgeteilt und strahlt einen unerbittlichen, ununterbrochenen Rhythmus aus, der die emotionale Intensität der Worte des lyrischen Ichs unterstreicht. Die Sprache in Heines Gedicht ist stark bildhaft und metaphorisch, mit kraftvollen Natur- und Körpersymbolen, die verwendet werden, um die emotionalen Zustände des lyrischen Ichs darzustellen. Zudem fällt auf, dass das Gedicht keine Dialoge oder direkte Rede enthält, sodass die gesamte Schwerpunkt auf der Perspektive und dem inneren Erleben des lyrischen Ichs liegt.

Insgesamt handelt es sich bei „Was treibt und tobt mein tolles Blut?“ um ein intensiv emotionales Gedicht, das wohl einen Alptraum um eine verlorene Liebe darstellt und in dem das lyrische Ich sein tiefgreifendes Leiden und seine Verzweiflung zum Ausdruck bringt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Was treibt und tobt mein tolles Blut?“ ist Heinrich Heine. 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1821. Erschienen ist der Text in Hamburg. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 279 Wörter. Es baut sich aus 11 Strophen auf und besteht aus 44 Versen. Weitere Werke des Dichters Heinrich Heine sind „Allnächtlich im Traume seh’ ich dich“, „Almansor“ und „Als ich, auf der Reise, zufällig“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Was treibt und tobt mein tolles Blut?“ weitere 535 Gedichte vor.

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